Studienverlaufsmonitoring: Von Anfang an gut begleitet
Interview: Gunda Achterhold (6. Februar 2020)
Das Projekt Erfolgreich studieren in Mannheim (ErStiMA) trägt dazu bei, möglichst viele Studierende der Universität Mannheim zu einem erfolgreichen Studienabschluss zu führen. Dazu müssen Voraussetzungen geschaffen werden, die den Bedürfnissen der unterschiedlichen Studierendengruppen gerecht werden. Wichtige Aufgaben des Projektes sind es, abbruchgefährdete Studierende zu identifizieren und ihnen anschließend passende Unterstützungsmöglichkeiten zu vermitteln. Zum Wintersemester 2017/18 wurde das Frühwarnsystem universitätsweit eingeführt. Im Akademischen Auslandsamt setzt Solrun Graham-Parker das Tool bei der Betreuung internationaler Vollzeitstudierender ein. Die systematische und persönliche Begleitung über alle Phasen des Studiums wird sehr gut angenommen.
Frau Graham-Parker, die Universität Mannheim hat ein Frühwarnsystem für das Monitoring von Studienleistungen eingeführt. Warum ist die darauf basierende persönliche Beratung für internationale Studierende so wichtig?
Wir stellen fest, dass unsere internationalen Studierenden neben den Inhalten mit einer Reihe von organisatorischen Fragen beschäftigt sind, wenn sie an die Universität Mannheim kommen. Bei Studierenden aus Ländern außerhalb der Europäischen Union zählen vor allem Aufenthaltsfragen dazu. Auch Themen wie Wohnungssuche, Kontoeröffnung und Behördengänge erfordern eine hohe Anpassungsleistung von jungen Menschen aus anderen Kulturkreisen. Hinzu kommen Probleme mit der deutschen Sprache, denn acht unserer Masterstudiengänge sind auf Englisch, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen also kein Deutsch können. All diese Faktoren belasten Studierende aus dem Ausland, vor allem in den ersten Wochen, zusätzlich. Im Vergleich zu deutschen Kommilitoninnen und Kommilitonen brauchen sie länger, bis sie sich wirklich auf ihr Studium konzentrieren können. Deshalb beobachten wir ihre Leistungen und Fortschritte kontinuierlich und nehmen schon früh Kontakt zu ihnen auf.
Wie funktioniert das System?
Für jeden Studiengang wurden individuell Kriterien festgelegt, die auf einen kritischen Studienverlauf schließen lassen, beispielsweise das Unterschreiten einer bestimmen Anzahl an Credit-Points. Zu vier verschiedenen Zeitpunkten im Studienverlauf – nach dem ersten Semester, nach der Orientierungsphase im zweiten Semester, am Ende der Regelstudienzeit und im letzten Semester – schauen wir dann, ob diese Kriterien erfüllt werden. Im Akademischen Auslandsamt prüfen wir die Angaben, sprechen Studierende gezielt an, wenn es gute Gründe dafür gibt, und bieten ihnen Unterstützung. Nach dem ersten Semester erhalten alle eine informierende Mail, in der wir auf unsere Beratungsangebote hinweisen. Die Botschaft dahinter: Du bist nicht alleine, hier ist jemand, an den Du Dich immer wenden kannst. Allein die regelmäßige Erinnerung an Dinge wie anstehende Prüfungen oder die Regelstudienzeit ist hilfreich, denn vielen Studierenden sind Termine oder Prüfungsordnungen nicht unbedingt immer präsent.
Und wann wird es kritisch?
Das kommt sehr stark auf die Studienphase an. Wenn jemand im dritten Semester noch nicht alle ECTS-Punkte zusammen hat, ist das kein Grund zur Beunruhigung. Dann melden wir uns nur mit einer eher motivierenden Nachricht und machen ein Angebot zum Gespräch. In den letzten Semestern sieht das schon anders aus. Wenn wir merken, dass jemand sehr gestresst ist und alles auf der Kippe steht, versuchen wir auf Tuchfühlung zu gehen. Die Gefahr, womöglich ohne Abschluss nach Hause zurückkehren zu müssen, setzt Studierende enorm unter Druck. Zumal in Baden-Württemberg 2017 wieder Studiengebühren eingeführt wurden. Jedes zusätzliche Semester kostet also Geld.
Wie unterstützen Sie?
Häufig stecken Anpassungsprobleme hinter den Auffälligkeiten im Studienverlauf, aber manchmal auch gesundheitliche Schwierigkeiten wie Depressionen. Wir verweisen dann beispielsweise auf die Psychotherapeutische Beratung (PBS) des Studentenwerks – je nachdem, wie ernst die Lage ist. Häufig hilft es auch schon zuzuhören. Viele internationale Studierende vergleichen sich mit ihren deutschen Kommilitoninnen und Kommilitonen. Das ist ein Riesenfehler, denn sie haben nun mal eine ganz andere Ausgangssituation. Da tut es manchmal schon gut, einfach nur zu hören, dass es doch eigentlich gar nicht so schlecht läuft. Darin sehe ich unsere Aufgabe: Wir können Zuspruch geben, motivieren und im Gespräch gemeinsam eine Strategie entwickeln. Was ist der Plan, und wie kann der oder die Studierende ans Ziel kommen?
Wie wird das Angebot angenommen?
Studierende, die wir anschreiben, sind sehr dankbar für das Angebot und fühlen sich gut unterstützt. Typische Fragen beziehen sich auf aufenthaltstechnische Probleme oder sind studienbezogen. Kann ich nach einem gescheiterten Prüfungsversuch im nächsten Semester wiederholen? Und welche finanziellen Folgen hätte es, wenn ich länger studiere? Manche Fragen kann ich direkt beantworten, andere nicht. Dann verweise ich weiter an die entsprechenden Stellen, an das Studiengangsmanagement der Fakultäten beispielsweise oder an die Prüfungsausschüsse. Häufig geht es auch darum, dass wir Informationen, beispielsweise aus der Prüfungsordnung “übersetzen”, die in der Kommunikation nicht klar sind. Da sind wir auch Mittler zwischen verschiedenen Einrichtungen.
Welchen Herausforderungen stellt sich die Universität bei der Implementierung des Systems?
Die Mehrbelastung ist definitiv die größte Herausforderung, denn im Studiengangsmanagement haben alle sehr viel zu tun. Der Beratungsaufwand ist gestiegen, aber es lohnt sich. Meine Stelle im Akademischen Auslandsamt ist mit der Einführung des Systems geschaffen worden. Bereits seit 2014 wurden vom Akademischen Auslandsamt Teile des jetzigen Frühwarnsystems angeboten und Studierende englischsprachiger Masterstudiengänge, deren Studienverlauf sich als kritisch erwies, zum Gespräch eingeladen. Das Angebot wurde durchweg sehr gut angenommen. Mit diesen positiven Ergebnissen konnten wir in den Fakultäten für das Projekt werben und Überzeugungsarbeit leisten. Das war für alle motivierend und hat die Einführung des Tools sicher erleichtert.
Mussten auch technische Hürden genommen werden?
Nein, gar nicht. Die Umsetzung des Frühwarnsystems wird vom Dezernat für Studienangelegenheiten zentral gesteuert, die Daten sind im Studierenden- und Verwaltungssystem hinterlegt und abrufbar. Technisch erfordert das Tool insofern wenig Aufwand. Aber natürlich haben wir es mit sensiblen Daten zu tun und gehen damit sehr vorsichtig und sparsam um. Das Frühwarnsystem ist ein Baustein unserer guten Betreuungssituation und den vielfältigen Unterstützungsangeboten an der Universität Mannheim, der aber nicht gesondert beworben wird.
Lassen sich die Effekte des Frühwarnsystems bereits beziffern?
Die erste Kohorte nach der Einführung an der gesamten Hochschule steht noch vor dem Abschluss, daher haben wir noch keine belastbaren Zahlen. Sowohl von den Studierenden als auch aus den Fakultäten erreichen uns jedoch sehr positive Rückmeldungen. Man kommt einfach früher in Kontakt mit Studierenden, die später vermutlich Probleme bekommen hätten. Wir wissen von einigen kritischen Fällen, die von uns begleitet wurden und doch noch die Kurve gekriegt haben.
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