Studienerfolg internationaler Studierender: wichtige Botschaften für das Marketing
Autorin: Sabine Giehle (5. Dezember 2019)
Indikator für Internationalität
Fast 400.000 internationale Studierende besuchten 2019 eine deutsche Hochschule. Das entspricht einem Zuwachs von rund 65 Prozent allein in den vergangenen zehn Jahren. Wie viele internationale Studierende an deutschen Hochschulen eingeschrieben sind, zeigt nicht nur die Attraktivität des Forschungsstandorts Deutschland. Die Zahl gilt auch als wichtiger Indikator für den Stand der Internationalisierung der einzelnen Hochschulen und damit auch für ihre Bewertung in den weltweiten Hochschul-Rankings. Damit kommt der Rekrutierung internationaler Studierender eine hohe Bedeutung für das Hochschulmarketing zu.
Um in diesem Umfeld zu bestehen, muss jedes Land und jede Hochschule die eigene Attraktivität für die umworbene Zielgruppe nachweisen. Diese spiegelt sich zu einem nicht unerheblichen Teil in der Zufriedenheit der Studierenden aus dem Ausland wider, die vor Ort bereits Erfahrungen gemacht haben. Entscheidend ist dabei, wie es den Hochschulen gelingt, den spezifischen Problemlagen internationaler Studierender gerecht zu werden und wie sie ihren Studienerfolg sichern.
Häufiger Abbruch des Studiums
International Student Barometer 2018/19
Einblicke in die Erwartungen, Entscheidungen und das Informationsverhalten von mobilen Studierenden und Doktoranden bietet Ihnen das International Student Barometer (ISB). Die Ergebnisse der Befragung an deutschen Hochschulen hat GATE-Germany in der Publikation “The International Study Experience in Germany“ herausgegeben.
Eine der größten Herausforderungen für deutsche Hochschulen ist dabei die hohe Zahl internationaler Studierender, die ihren angestrebten Studienabschluss nicht erreichen. Trotz deutlicher Verbesserungen in den vergangenen Jahren liegt die Abbruchquote bei Bildungsausländerinnen und -ausländern mit 45 Prozent im Bachelor– und 29 Prozent im Masterstudium an Universitäten deutlich über der Quote deutscher Studierender (32 bzw. 19 Prozent). Das ist nicht überall so, wie ein Blick auf andere wichtige Gastländer zeigt. In den USA oder in Australien brechen internationale Studierende sogar seltener ihr Studium ab als ihre inländischen Kommilitoninnen und Kommilitonen.
Nicht zuletzt die Studie “The International Study Experience in Germany. Findings from the International Student Barometer 2018” und die jüngste Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks von 2017 haben gezeigt, dass für die überwältigende Mehrheit der internationalen Studierenden hochschul- und karrierebezogene Motive – vor allem die Hoffnung auf gute Berufschancen – den Ausschlag geben, sich für Deutschland als Gastland zu entscheiden. Dass der Studienerfolg oder -nichterfolg somit entscheidend ist für die Zufriedenheit der Studierenden, liegt auf der Hand. Studienbezogene Probleme, so zeigt die Sozialerhebung weiter, lassen die Wahrscheinlichkeit, mit der Studierende aus dem Ausland Deutschland als Studienland empfehlen würden, signifikant sinken.
Ursachen erforschen und ein realistisches Bild vermitteln
Doch nicht nur für die Rekrutierung zukünftiger Studierender spielt die Zufriedenheit der jetzigen internationalen Studierenden eine Rolle: Sie hat auch Einfluss auf die Bindung der Alumni an die Hochschule und auf die Wahrscheinlichkeit, mit der Absolventinnen und Absolventen als Fachkräfte zumindest einige Jahre in Deutschland bleiben werden.
Warum es vielen internationalen Studierenden in Deutschland so schwerfällt, ihr Studium erfolgreich zu beenden, wird damit zu einer relevanten Frage für die Hochschulen: Wie kann es gelingen, internationale Studierende so vorzubereiten und zu unterstützen, dass ihr Aufenthalt in Deutschland erfolgreich verläuft? In der Kommunikation nach außen und im Wettbewerb um gute Kandidatinnen und Kandidaten ist es ein großer Pluspunkt, hier auf positive Entwicklungen verweisen zu können.
Ein erster Schritt ist, die Erwartungshaltung internationaler Studierender zu klären und die Gründe zu erforschen, die zum Studienabbruch führen. Daher fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit 2016 insgesamt 19 Projekte zur Erforschung von Studienerfolg und Studienabbruch, darunter drei Untersuchungen speziell zur Situation von internationalen Studierenden. Zu ihnen gehören die Studie zu “Sprache und Studienerfolg bei Bildungsausländer/-innen” (SpraStu) der Universitäten Leipzig und Würzburg, die ihren Fokus auf Studierende der Fächer Chemie, Wirtschaftswissenschaften, Deutsch als Fremd- und Zweitsprache und Germanistik legt, sowie die WeGe-Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, die die Bedingungen eines erfolgreichen Studienzugangs für studieninteressierte Geflüchtete untersucht.
DAAD-Studie soll Hochschulen unterstützen
Internationale Studierende in Deutschland zum Studienerfolg begleiten
Die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen aus dem SeSaBa-Projekt wurden im Mai 2022 in der Publikationsreihe DAAD Studien veröffentlicht.
Mit einem interdisziplinären Ansatz und in Zusammenarbeit mit der FernUniversität Hagen sowie dem Bayerischen Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung geht der DAAD dem Problem auf den Grund. In dem auf vier Jahre angelegten Forschungsvorhaben untersucht ein interdisziplinäres Team den “Studienerfolg und Studienabbruch bei Bildungsausländern in Deutschland im Bachelor- und Masterstudium” (SeSaBa). “Im Zentrum des Projekts SeSaBa steht die Untersuchung der spezifischen Studiensituation internationaler Studierender an deutschen Hochschulen sowie die Ursachen des Studienerfolgs bzw. Studienabbruchs”, erläutert Projektleiter Dr. Jesús Pineda. Ziel der Untersuchung ist es auch, Handlungsempfehlungen für die Hochschulen zu entwickeln. Die SeSaBa-Studie läuft noch bis 2021. Das Projektteam begleitet dabei über drei Jahre mehr als 4.500 internationale Studierende an 125 Hochschulen, die im Wintersemester 2017/18 ihr Studium in Deutschland aufgenommen haben.
In einer qualitativen Vorstudie wurden Experten-Workshops mit Hochschulvertreterinnen und vertretern durchgeführt sowie Fokus-Gruppen und Studierende interviewt. Die Ergebnisse zeigen, wie früh schon die Weichen gestellt werden, die auf Erfolg und Misserfolg des Studiums in Deutschland Einfluss nehmen können: “Im Rahmen der Vorstudie haben wir festgestellt, dass viele internationale Studierende mit falschen Erwartungen nach Deutschland kommen”, erläutert Pineda. “Studieninteressierte sollten zum Beispiel im Vorfeld erfahren, dass der Erwerb der deutschen Sprache eine erhebliche Herausforderung darstellt.” Denn, so Pineda weiter, nicht immer reiche der formale Nachweis der sprachlichen Qualifikation tatsächlich aus, um im Studium zu bestehen: “Entsprechend groß ist die Enttäuschung, wenn sie trotz Sprachzeugnis ihren Professor während der Vorlesung nicht verstehen.” Zum Projektende soll ein Praxisleitfaden für Hochschulen mit Empfehlungen erstellt werden.
Begleitung für internationale Studierende
Doch auch jetzt gibt es schon Programme, die die Hochschulen bei der Integration internationaler Studierender unterstützen. Ein Beispiel ist das Kombinierte Stipendien- und Betreuungsprogramm (STIBET) des DAAD, das die Betreuung von ausländischen Studierenden und Doktoranden an deutschen Hochschulen fördert. “Die Angebote sollen vor allem die Willkommenskultur für ausländische Studierende verbessern. Zentrales Ziel ist, dass die internationalen Studierenden am Hochschulort gut integriert sind, damit sie ein positives Deutschlandbild entwickeln, nach ihrem Studium mit Deutschland in Verbindung bleiben oder sogar als Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt gewonnen werden können”, erläutert Pineda.
Zurzeit gibt es allein 28 neue Projekte, mit dem Ziel, den Studienerfolg von Bildungsausländerinnen und ausländern zu erhöhen. Zu ihnen gehört FAMOS Connect. Mit dem “Fachmentorenprogramm für internationale Studierende” hat sich die Humboldt-Universität zu Berlin zum Ziel gesetzt, die Studienbedingungen für Bachelor– und Masterstudierende aus dem Ausland durch eine exzellente fachliche und soziale Integration zu verbessern. Damit soll die überdurchschnittlich hohe Abbrecherquote unter den internationalen Studienanfängern nachhaltig reduziert werden.
Die internationalen Studierenden werden dazu in ihrem ersten Semester von studentischen und akademischen Mentoren und Mentorinnen ihres jeweiligen Studienfaches betreut. Schon vor Semesterbeginn erhalten die Neuen während der Check-in-Wochen Informations- und Orientierungsangebote zum Beispiel zu den Themen “Referate halten” oder “Deutsche Sprache und Hochschulkultur”. Während des Semesters gibt es nicht nur fachbezogene Informationen, sondern auch Kulturangebote und die Möglichkeit zum Austausch und zur Vernetzung.
Qualitätsmanagement entlang des Student Life Cycle
Dem Thema Studienerfolg hat sich auch die Hochschule Bremen (HSB) verschrieben. Sie hat ein Studienerfolgsmanagement eingeführt, das den Studienerfolg ihrer heterogenen Studierendenschaft unterstützen soll. Ziel ist, dass die Studierenden in einer angemessenen Zeit einen Abschluss erwerben, der es ihnen ermöglicht, ein weiterführendes Studium aufzunehmen oder einen adäquaten Beruf auszuüben.
“Die Qualitätsziele sind dabei am Student Life Cycle ausgerichtet. Damit wird der einzelne Studierende, seine fachliche und überfachliche Kompetenzentwicklung und seine Persönlichkeitsbildung berücksichtigt”, erläutert Dr. Kathrin Prümm, stellvertretende Leiterin des Projekts Studienerfolgsmanagement.
Besonderen Wert legt die HSB dabei auf die Studieneingangsphase, die Verbesserung der Organisation von Studium und Lehre sowie einen Studierendenservice, der die Studierenden von der Orientierungsphase bis zum Übergang in den Beruf oder ein weiterführendes Studium begleitet. “Kennzeichnend für das Studienerfolgsmanagement ist”, erläutert Prümm weiter, “dass die Qualitätsentwicklung von Studium und Lehre auf den Studienerfolg der Studierenden setzt, der in allen Stationen des Student Life Cycle unterstützt werden soll.” Dazu sollen unter anderem die unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen überbrückt werden, Gender– und Diversity-Aspekte berücksichtigt und Maßnahmen ergriffen werden, um den Anteil von Studentinnen in bestimmten Studiengängen zu erhöhen.
Internationale Studierende werden dabei natürlich auch berücksichtigt. Ein spezielles Projekt bietet den Neulingen “Helping Hands”. Auch im Café International – analog oder auf Facebook – können sie sich mit anderen Studierenden austauschen.
Angebote gezielt bewerben
Nicht nur in der Anfangsphase brauchen internationale Studierende Unterstützung. So viel lässt sich jetzt schon aus den Untersuchungen ihrer Situation ableiten. Idealerweise sollten die Angebote den ganzen Student Life Cycle begleiten: von der Wahl des Hochschulortes und der Studienfächer bis zum Übergang in den Arbeitsmarkt oder in ein weiterführendes Studium.
Ein Anfang ist jedenfalls gemacht: Viele Hochschulen haben reagiert und bauen die Unterstützungsstrukturen für ihre Studierenden aus dem Ausland aus. Für das Hochschulmarketing ist das eine Chance. Es sollte diese Entwicklung positiv begleiten und die internationale Zielgruppe darüber auf dem Laufenden halten. Denn die Erfolge der eigenen internationalen Studierenden sind ein nicht zu unterschätzendes Argument für die nächste Studierendengeneration.
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