"Nachhaltigkeit ist für Studierende ein Anreiz, hierher zu kommen"
Interview: Gunda Achterhold (November 2023)
Welche Themen beschäftigen Sie als Präsidentin der Hochschule Trier im Moment ganz besonders?
Das Thema Internationalisierung ist uns ein Anliegen und wir verankern es strategisch auf allerhöchster Ebene. Als Präsidium haben wir es in diesem Jahr in den Mittelpunkt der Strategiegespräche mit den Dekanen aller Fachbereiche gestellt – es beschäftigt uns also nicht nur punktuell, sondern ganzheitlich. Auf den Bereich Studium und Lehre bezogen, richten wir aktuell Studiengänge internationaler aus. In den Fachbereichen Wirtschaft und Technik bieten wir beispielsweise bereits einen englischsprachigen Bachelor und Master an und am Umwelt-Campus Birkenfeld einen interdisziplinären Bachelorstudiengang Sustainable Business and Technology. Diese Studiengänge werden unglaublich gut nachgefragt, wir holen damit Studierende aus ganz unterschiedlichen Ländern an unsere Hochschule.
Die Intensivierung von Marketingmaßnahmen ist ein Baustein der 2022 verabschiedeten Internationalisierungsstrategie Ihrer Hochschule. Gab es schon konkrete Schritte?
Wir sind bestrebt, unsere Internationalisierung sichtbar nach innen und außen zu tragen. Bereits seit mehreren Jahren stellen wir bei uns in der Hochschule zunehmend Material und Dokumente zweisprachig zur Verfügung. Ein Beispiel dafür ist unsere Imagebroschüre. Sie ist durchgängig zweisprachig verfasst, jeweils eine Spalte in deutscher und in englischer Sprache. Obwohl wir hier sehr nah an Luxemburg und Frankreich sind, ist es letztlich doch die englische Sprache, mit der wir internationale Zielgruppen am besten erreichen. In der Corona-Zeit haben wir jede einzelne Mail ins Englische übersetzen lassen – das ist sehr gut angekommen. Unsere internationalen Studierenden, Lehrenden und Forschenden fühlen sich angesprochen.
Vor Ihrem Amtsantritt in Trier waren Sie Vizepräsidentin für Internationales der German Jordanian University in Amman. Was haben Sie aus diesen drei Jahren mitgenommen?
Fast alles (lacht). Sicherlich eine ganze Menge an interkulturellen Kompetenzen. Und zwar nicht ausschließlich auf die arabische Welt bezogen. Wenn man eine Weile – und drei Jahre sind ja nicht kurz – im Ausland lebt, dann sieht man auch die eigene Kultur aus einer anderen Perspektive. Die Stärken, aber auch die Herausforderungen. Als Präsidentin einer Hochschule in Deutschland ist das für mich eine wichtige Erfahrung. Der Wert unserer Demokratie in Deutschland ist mir in dieser Zeit noch einmal bewusster geworden. Auch im Hinblick auf demokratische Hochschulsysteme, in denen Senate, Hochschulräte und andere Gremien einbezogen werden. Aus Jordanien mitgebracht habe ich Gastfreundlichkeit, Herzlichkeit und Verhandlungsgeschick.
Inwiefern helfen Ihnen diese Erfahrungen auch im Hinblick auf die Internationalisierung, wo haben Sie zum Beispiel Veränderungen angestoßen?
Wahrscheinlich kommuniziere ich noch mehr. Auf jeden Fall setze ich seitdem nicht immer nur auf schriftliche Dokumente, sondern auch auf das gesprochene Wort. Und ich habe einiges in Richtung Gastfreundlichkeit mitgebracht. Da können wir unglaublich viel vom Ausland lernen.
Woran würde ich diese Gastfreundlichkeit an der Hochschule Trier spüren?
Daran, dass Sie nicht nur einmal nach Kaffee gefragt werden, sondern bis zu viermal oder mehr (lacht). Das habe ich eingeführt, nachdem ich gehört und erlebt habe, dass man in Deutschland für den Rest des Tages verloren ist, wenn man die Frage nach Kaffee beim ersten Mal verneint. Das klingt vielleicht etwas überspitzt, ist aber ausschlaggebend für vieles mehr. Das gilt nicht nur für internationale Gäste, eine gewisse Fürsorglichkeit pflege ich als Präsidentin auch in anderen Bereichen, zum Beispiel im Umgang mit neu berufenen Professorinnen und Professoren. An der Hochschule Trier veranstalten wir für sie einen Neuberufenentag, den wir miteinander verbringen. Für die Atmosphäre ist das auf jeden Fall ein Gewinn und auch dort bringen wir das Thema Internationalisierung mit ein.
Der Umwelt-Campus Birkenfeld ist das Aushängeschild der Hochschule Trier. Funktioniert er eher als “Eigenmarke” oder legt die Hochschule Wert auf einen nachhaltigen und internationalen Gesamtauftritt?
Laut UI GreenMetric-Ranking ist der Umwelt-Campus Birkenfeld seit Jahren der grünste Hochschulstandort Deutschlands – dieses Pfund nutzen wir für die ganze Hochschule. Nachhaltigkeit ist ein übergreifendes Profilthema der gesamten Hochschule Trier. Deutschlandweit und international gelten wir als Vorbild für Nachhaltigkeit, das zeigen Spitzenplatzierungen im CHE-Ranking und zuletzt die Nominierung des Umwelt-Campus für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis. Vom angewandten Stoffstrommanagement über intelligente Technologien für nachhaltige Entwicklung bis hin zu den Life Sciences sind unsere Forschungsschwerpunkte immer mit Nachhaltigkeitsaspekten verbunden. Für die Internationalisierung ist diese enge Verzahnung von großer Bedeutung. Nachhaltigkeit ist ein spannendes Thema für internationale Studierende und Forschende, und ein wichtiger Anreiz, um hierher zu kommen.
Für eine HAW ist die Hochschule Trier ungewöhnlich forschungsstark.
Ja, in der Tat haben wir im Jahr 2022 etwa 17 Millionen Euro Drittmittel eingenommen, damit sind wir mit Abstand die forschungsstärkste HAW in Rheinland-Pfalz und sogar auf dem Niveau einiger Universitäten. Das stärkt unsere drei Forschungsschwerpunkte und unsere Profilthemen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Gesundheit. Nicht zuletzt bringt es den Studierenden Vorteile, die von den neuesten Forschungserkenntnissen profitieren. Im Verbund mit den HAWs und Universitäten in Rheinland-Pfalz sind wir gerade dabei, mit dem Wissenschaftsministerium das Promotionsrecht für forschungsstarke Bereiche an den HAWs im Hochschulgesetz zu verankern. Das wird unsere Attraktivität international nochmals stärken.
Was bedeutet das im Hinblick auf die Rekrutierung internationaler Nachwuchswissenschaftler?
Wir können ihnen andere Perspektiven anbieten. Gerade weil das Konzept der HAW im Ausland nicht so bekannt ist, wird oft nicht verstanden, dass wir forschen, aber über kein eigenes Promotionsrecht verfügen. Unsere rund 80 Promovierenden werden derzeit noch alle kooperativ mit Universitäten betreut. Wenn man so forschungsstark ist wie wir, sollte man den Promovierenden und dem wissenschaftlichen Nachwuchs auch eigenständig Promotionen anbieten können. An der konkreten Umsetzung arbeiten wir.
Wo sehen Sie für Ihre Hochschule die größten Herausforderungen in der nächsten Zeit?
Neben den begrenzten finanziellen Mitteln, die mich fast tagtäglich beschäftigen, und dem dringend nötigen Abbau von Bürokratie, sind das die Krisen dieser Welt. Erst der Angriffskrieg Russlands, jetzt die Situation im Nahen Osten. Ich habe selbst in dieser Region gewohnt und weiß, was für ein Pulverfass das ist. Wir haben gerade erst die Corona-Krise hinter uns, mit wahrscheinlich noch immer vielen unentdeckten psychosozialen Folgen, die wir noch gar nicht alle sehen. Das sind alles Themen, die uns auch im Emotionalen beschäftigen.
Und was gibt Ihnen Hoffnung?
Hochschulen und die Wissenschaft sind diejenigen Institutionen, die genau diese gesellschaftlichen Herausforderungen lösen können. Das gibt mir Hoffnung. Wenn es jemand schaffen kann, dann wir mit den jungen Menschen.
Der GATE-Germany-Lenkungsausschuss
Der Lenkungsausschuss ist das beschlussfassende Gremium von GATE-Germany. Er setzt sich zusammen aus dem Sprecher des Konsortiums Prof. Dr. Joybrato Mukherjee (Präsident des DAAD) und acht Rektorinnen und Rektoren bzw. Präsidentinnen und Präsidenten von GATE-Germany-Mitgliedshochschulen. Der Leiter der Geschäftsstelle Stefan Hase-Bergen nimmt beratend teil. Der Lenkungsausschuss verabschiedet strategische Richtlinien für die Arbeit des Konsortiums, berät bei der Jahresplanung und entscheidet über die Neuaufnahme von Konsortialmitgliedern.
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