"Eine Vielzahl von Mobilitätsmöglichkeiten schaffen"
Interview: Gunda Achterhold (Juni 2021)
Frau Professorin Brühl, welchen Eindruck haben Sie bislang von der Arbeit im Lenkungsausschuss gewonnen?
Ich finde es sehr bereichernd, mich in diesem Gremium mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Wir sind alle ausgewiesene Internationalisierungsexpertinnen und -experten. Man kennt sich, es wird sehr konstruktiv und kreativ zusammengearbeitet. Besonders spannend ist aus meiner Sicht, dass hier unterschiedliche Hochschultypen mit jeweils eigenen Perspektiven vertreten sind. Was uns eint, ist unser gemeinsames Ziel – die Internationalisierung.
Die TU Darmstadt ist ein GATE-Germany-Mitglied der ersten Stunde. Welche Motive führten 2001, im Gründungsjahr des Konsortiums, zum Beitritt Ihrer Hochschule?
Die TU Darmstadt war auch damals schon eine der internationalsten Hochschulen in Deutschland, als Technische Universität ziehen wir eine bestimmte Klientel an. Die zentrale Frage war seinerzeit, wie die Hochschule ihr weltweites Studierendenmarketing konzeptionell weiterentwickeln könnte, um ihren internationalen Auftritt zu professionalisieren.
Hat sich die langjährige Mitgliedschaft rückblickend gelohnt?
Auf jeden Fall, sie hat sich absolut rentiert. Als Mitgliedshochschule lernen wir von anderen – dieses von GATE-Germany ermöglichte Peer-to-Peer-Learning ist gar nicht zu überschätzen. Wir nehmen zudem die Angebote von GATE-Germany wahr, die uns ganz praktisch in unserem internationalen Marketing unterstützen – von den Möglichkeiten, Studienangebote online zu präsentieren bis hin zu Fachartikeln im Online-Magazin. Und wir präsentieren uns mit anderen Teilnehmenden gemeinsam auf internationalen Hochschulmessen. Alle drei Bereiche spielen zusammen beim Aufbau eines strategischen Hochschulmarketings.
Welche Vorteile bietet das gemeinsame internationale Auftreten in einem Verbund wie den TU9?
“German Engineering” ist etwas Besonderes, eine Marke, für die wir weltweit werben. Jede der neun beteiligten Technischen Universitäten steht mit ihrer Expertise und ihren international gefragten Kompetenzen zugleich auch für sich. Doch wenn es darum geht, die Marke “German Engineering” in die Zukunft zu tragen, sind wir gemeinsam stärker. Aktuell sind beispielsweise verstärkte Kooperationen mit führenden technischen Hochschulen in Australien geplant.
Was bedeutet diese Zusammenarbeit im Hinblick auf die TU Darmstadt?
Weltweit werden wir wahrgenommen als eine der ausgezeichneten Technischen Universitäten in Deutschland. Das erleben wir beispielsweise im Rahmen unserer Kampagne #studentsofTUdarmstadt. Wir setzen hier auf Informationen von Studierenden zu „soon-to-be-Studis“ und binden dabei auch internationale Studierende als Botschafterinnen und Botschafter ein. Auf die Frage, warum er an die TUD gekommen ist, antwortete einer von ihnen: Weil Darmstadt ein spannender Ort ist und die Hochschule zur TU9 gehört. An Beispielen wie diesen sehen wir sehr deutlich, welche Strahlkraft die Wechselwirkungen innerhalb des Verbundes international haben. Die Mitgliedschaft in der TU9 wirkt wie ein Qualitätssiegel. Auf europäischer Ebene wiederum ist unsere Europäische Universitätsallianz UNITE! für die Internationalisierungsstrategie der TU Darmstadt von prägender Bedeutung.
Inwiefern?
Im Verbund mit Universitäten aus sechs europäischen Ländern entwickeln wir neue Formen des Zusammenlernens und der gemeinsamen Forschung. UNITE! versteht sich als Antreiber zur Veränderung des europäischen Hochschulraumes – weg von ortsgebundener und zeitlich begrenzter Mobilität durch Erasmus-Semester, hin zu einer Vielzahl an Mobilitätsmöglichkeiten im physischen wie im digitalen Raum. Im Bereich Energie besuchen Masterstudierende an Universitäten von Helsinki bis Turin schon jetzt gemeinsam virtuelle Lehrveranstaltungen. Die nächste Generation unserer Universitätsmitglieder in Darmstadt und bei den sechs Partneruniversitäten soll europäisch sein. Die Allianz verfolgt damit ein ehrgeiziges Ziel, das wir als TU Darmstadt mit unserer neuen Bezeichnung als “Europäische Technische Universität” auch nach außen deutlich sichtbar machen.
Die Pläne für eine gemeinsame digitale Plattform standen schon – war die TU Darmstadt damit besonders gut auf die Herausforderungen der Corona-Pandemie vorbereitet?
E-Learning ist nicht erst mit Corona entstanden. Auch vorher haben wir schon viele Formate und Formen digitalen Lernens genutzt und auch Inhalte über Lernmanagement-Plattformen asynchron aufbereitet. Die Pandemie hat der Digitalisierung der Lehre und damit auch UNITE! einen Schub gegeben, da griffen viele Rädchen ineinander. Es war klar, wir müssen die Plattform jetzt starten und können das nicht auf später verschieben. Die Geschwindigkeit nahm auf allen Ebenen zu – das war auch im Marketingbereich zu sehen. Wir haben inzwischen viel schnellere Aktualisierungsrunden, für die Website beispielsweise, um zügig reagieren zu können und Informationen aktuell zu halten.
Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf die internationalen Marketingaktivitäten der TU Darmstadt?
Das Bewerbungs- und Immatrikulationsverfahren haben wir umgehend als rein digitales Format aufgesetzt, als Studierende kein Visum erhielten und nicht einreisen konnten. Schätzungen zufolge sind etwa 70 bis 80 Prozent unserer internationalen Studierenden aktuell nicht vor Ort, sondern nehmen von ihren Heimatländern aus an den Lehrveranstaltungen teil. Und dieser Trend scheint sich fortzusetzen: Zum letzten Wintersemester hatten wir mehr Bewerbungen als vorher, besonders gefragt waren unsere neuen englischsprachigen Masterstudiengänge. Wir haben von vornherein auf Kontinuität gesetzt, und das scheint sich jetzt auszuzahlen. Wir beobachten allerdings auch, dass wir künftig ein frühes Erwartungsmanagement betreiben müssen im Hinblick auf Prüfungen, die zum Teil eben doch vor Ort stattfinden müssen.
Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen im internationalen Wettbewerb?
Hochschulen haben die Verantwortung, sich gemeinsam mit den großen gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Dazu zähle ich etwa die Klimakrise, Nachhaltigkeit oder Künstliche Intelligenz und die damit einhergehenden Veränderungen des Arbeitsmarktes. Als Hochschulen in Deutschland sollten wir unseren Beitrag zu den Themen deutlicher herausstellen. Ich bin davon überzeugt, dass wir als Technische Universität einen besonderen Beitrag dazu leisten können, beispielsweise über ingenieurwissenschaftliche Weiterentwicklungen. Im internationalen Kontext sollten wir unsere Zusammenarbeit intensivieren. Denn Austausch ist essenziell – durch die Auseinandersetzung über unterschiedliche Blickwinkel und Perspektiven können wir gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen dieser Zeit finden.
Der GATE-Germany-Lenkungsausschuss
Der Lenkungsausschuss ist das beschlussfassende Gremium von GATE-Germany. Er setzt sich zusammen aus dem Sprecher des Konsortiums Prof. Dr. Joybrato Mukherjee (Präsident des DAAD) und acht Rektorinnen und Rektoren bzw. Präsidentinnen und Präsidenten von GATE-Germany-Mitgliedshochschulen. Der Leiter der Geschäftsstelle Stefan Hase-Bergen nimmt beratend teil. Der Lenkungsausschuss verabschiedet strategische Richtlinien für die Arbeit des Konsortiums, berät bei der Jahresplanung und entscheidet über die Neuaufnahme von Konsortialmitgliedern.
Bleiben Sie auf dem Laufenden!
Sie möchten regelmäßig über neu erschienene Artikel informiert werden? Abonnieren Sie den DAAD-Newsletter Hochschul- und Forschungsmarketing.