Engagement jenseits des Campus: Ein Gewinn für internationale Studierende und für das Hochschulmarketing

Teilnehmende des Programms Europa macht Schule sitzen auf einer EU-Flagge
© DAAD

Das Programm “Europa macht Schule” ermöglicht internationalen Studierenden einen Einblick in den deutschen Schulalltag – und bietet Hochschulen die Möglichkeit, mit wenig Aufwand ihr Profil zu schärfen.

Autorin: Gunda Achterhold (September 2023)

Viele internationale Studierende würden sich gerne engagieren. Ihre Bereitschaft, sich mit ihren Erfahrungen und Perspektiven auch außerhalb ihrer Hochschulen in Deutschland einzubringen, ist hoch. Wo sie es tun, in Vereinen oder Initiativen beispielsweise, schätzen sie vor allem die Möglichkeit, Kontakte zu Personen außerhalb der Universität aufzubauen und ihr persönliches soziales Netzwerk zu erweitern. Das ergab unter anderem eine Befragung von Studierenden mit Migrationsgeschichte und internationalen Studierenden an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Im zwanglosen Austausch mit anderen können Deutschkenntnisse auf niedrigschwellige und anwendungsbezogene Art und Weise verbessert, neue berufliche und soziale Kompetenzen erworben werden. Der Zugang zum Engagement scheitert jedoch häufig an einem Mangel an Informationen.

Das bestätigen zahlreiche Untersuchungen, zuletzt die vom Erasmus Student Network (ESN) 2022 veröffentlichte Studie “Understanding the Experience & Needs of Exchange Students in Challenging Times“. Mehr als die Hälfte der befragten Studierenden aus verschiedenen europäischen Ländern zeigten sich offen, während ihres Auslandsaufenthaltes oder auch im Nachgang für andere international mobile Studierende aktiv zu werden. Diese hohe Motivation zu einem freiwilligen Engagement ist eine wertvolle Ressource, denn Engagement kommt nicht nur den Studierenden selbst zugute, die wichtige Erfahrungen sammeln. Auch Hochschulen können ihr Profil aufwerten und gewinnen mit gut integrierten, sozial engagierten Studierenden, Alumni und Alumnae wichtige Markenbotschafterinnen und Markenbotschafter. Dieses Potenzial scheinen Hochschulen in Deutschland jedoch noch wenig zu nutzen. Fast vierzig Prozent der von ESN befragten Internationals fühlten sich von ihren Hochschulen in keiner Weise dazu ermuntert, sich in irgendeiner Form zu engagieren. Vielmehr wünschten sie sich Unterstützung und Informationsangebote, die ihnen mögliche Wege in ein Engagement eröffnen.

Aktivitäten außerhalb des Lehrplans fördern

Über eine E-Mail der Abteilung für internationale Beziehungen wurde die französische Austauschstudentin Nawal Yahiaoui an der FU Berlin auf das von der Nationalen Agentur für Erasmus+ Hochschulzusammenarbeit im DAAD (NA DAAD) koordinierte Programm “Europa macht Schule” (EmS) aufmerksam. Es lädt internationale Studierende, darunter auch eine Vielzahl an Erasmus+ Studierenden, dazu ein, ihr Heimatland im Rahmen eines kleinen Projekts vor einer deutschen Schulklasse vorzustellen.

Ich denke, dass das EmS-Programm von wesentlicher Bedeutung ist, um die Schüler für andere Kulturen und Fragestellungen zu öffnen, ohne in Klischees zu verfallen.

Nawal Yahaioui, Teilnehmerin des Programms Europa macht Schule

Nawal Yahaioui hatte ihren Auftritt im Januar 2023 an einer Gesamtschule in Brandenburg. “Mir ging es darum, den Schülerinnen und Schülern meine Kultur nahe zu bringen”, erzählt die 24-jährige Neurowissenschaftlerin. Einer 9. Klasse stellte sie die Vielfalt der französischsprachigen Regionen vor und diskutierte mit ihnen Fragen nationaler Identität. Anhand von Fotos und einem Quiz veranschaulichte die Studentin kulturelle Besonderheiten und Dialekte, sie ging auf Unterschiede zwischen dem französischen und dem deutschen Schulsystem ein und sprach mit den Schülerinnen und Schülern über die weltberühmte Académie française, deren offizielle Aufgabe die “Vereinheitlichung und Pflege der französischen Sprache” ist. “All diese Aspekte dienten als Ausgangspunkt, um gemeinsam darüber nachzudenken, welchen Einfluss die zentralistische Politik Frankreichs und die Entstehung der Europäischen Union auf die Identität des Landes und ihrer Gesellschaft haben”, so Yahiaoui. Im Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern stellte sie fest, dass viele von ihnen nur sehr wenig über andere Länder wussten.

EmS bietet Hochschulen die Möglichkeit, als Multiplikatoren für diese Form des sozialen Engagements zu fungieren und europäische und internationale Studierende auf das Angebot aufmerksam zu machen. “Wir schreiben gezielt Hochschulen an, an denen sich genügend Ehrenamtliche für ein Standortteam angemeldet haben”, sagt Raffaella Lesizza, Referentin für EmS bei der NA DAAD. Bei den Ehrenamtlichen handelt es sich um deutsche Studierende, beziehungsweise um Regelstudierende der Hochschule. Sie koordinieren das Programm vor Ort, treten in Kontakt mit internationalen Studierenden und interessierten Schulen und betreuen die Projekte. “Sobald sich ein Standortteam gebildet hat, bitten wir die Hochschulen um Weiterleitung der Programminformationen an ihre internationalen Studierenden, damit diese sich ebenfalls anmelden können. Für die International Offices und Akademischen Auslandsämter bereiten wir E-Mail-Vorlagen und ein Materialien-Kit mit einer Kurzanleitung zum Programm und Info-Flyern vor, um den Arbeitsaufwand so gering wie möglich zu halten”, betont Lesizza. Die Anmeldung zum Programm für Standortteam-Mitglieder, internationale Studierende und Schulen sowie die Prüfung der Zulassungskriterien und die Vorbereitung aller Beteiligten laufen zentral über die NA DAAD. Direkte Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner bleiben aber die ehrenamtlichen Studierenden der EmS-Standortteams.

Im Zuge der Coronapandemie halbierte sich die Zahl der Teams auf aktuell rund 20 Standorte in überwiegend deutschen Hochschulstädten. Es gibt aber auch EmS-Auslandsstandorte in Valencia und Bergen. Weitere befinden sich im Aufbau. Neue Teams werden zu Beginn jedes Wintersemesters gebildet. “Für deren Anwerbung schreiben wir möglichst viele Hochschulen an”, so Lesizza. Standortmitglieder erhalten eine Einladung zu einer virtuellen Einführung in das Programm und zu einem optionalen Kennenlernwochenende in Präsenz. Die Teams betreuen den Ablauf vor Ort, stellen den Kontakt zwischen den internationalen Studierenden und den Lehrkräften der beteiligten Schulen her und unterstützen bei der Umsetzung der einzelnen Projekte.

Mehrwert für das Hochschulmarketing

Die Auswahl der Themen liegt bei den internationalen Studierenden und den betreuenden Lehrkräften. “Uns war es wichtig ein Thema zu finden, das auch mit dieser Klasse zu tun hat und zu ihr passt”, sagt Nawal Yahiaoui. Ein von der NA DAAD in Bonn organisiertes Methodentraining für interkulturelle Kompetenzen und Projektentwicklung empfand sie als sehr hilfreich bei der Vorbereitung. Ebenso wie die kontinuierliche Unterstützung durch Ehrenamtliche des Standort-Teams Berlin während der gesamten Projektphase. “Einen ganzen Vormittag selbst zu gestalten war für mich eine wichtige Erfahrung”, berichtet die Französin. “Ich war positiv überrascht, welche Auswirkungen diese Art von Aktivität auf Schülerinnen und Schüler haben kann und wie wichtig es ist, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich auszudrücken.” Inzwischen ist Nawal Yahiaoui als PhD-Studentin wieder nach Paris zurückgekehrt. Die Möglichkeiten, die das EmS-Programm bietet, haben ihr so gut gefallen, dass sie dort 2024 als Ehrenamtliche ein neues Auslandstandort-Team aufbauen will.

Back to School

Auch für Studierende deutscher Hochschulen, die selbst einen Auslandsaufenthalt absolviert haben, ist das Programm “Europa macht Schule” (EmS) interessant: Die neue Programmlinie “Back to School” bietet ihnen die Möglichkeit, nach einem Auslandssemester oder einem Auslandspraktikum ihr Gastland an einer deutschen Schule vorzustellen. Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern gestalten sie ein Projekt und lassen andere an ihren eigenen internationalen Erlebnissen und Erfahrungen teilhaben.

Programme wie EmS schaffen damit auch aus Marketingsicht eine Win-Win-Win-Situation: Für die Studierenden selbst, denn sie wachsen persönlich, knüpfen Kontakte und steigern die soziokulturelle Integration im Gastland. Die Schulen, in Deutschland ebenso wie im Ausland, profitieren ebenso. Die internationalen Studierenden treten hier als Botschafter und Botschafterinnen für ein Auslandsstudium auf. Sie wecken Interesse für ihr eigenes Land und für Deutschland als Gastland, für die Hochschule, an der sie ihren Auslandsaufenthalt absolvieren, und für ihre eigene Heimathochschule. Diese auf diversen Ebenen stattfindenden, Begegnungen und Erfahrungen lassen sich wiederum von Gasthochschulen hervorragend und ohne viel Aufwand für ihr Hochschulmarketing nutzen. Beispielsweise indem sie Studierende für diese Botschafterrolle briefen und deren Erfahrungen und Erlebnisse in hochschuleigene Marketingkanäle einfließen lassen.

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