Qualitätssiegel und Leitfaden zugleich: Der Nationale Kodex für das Ausländerstudium an deutschen Hochschulen
Autorin: Gunda Achterhold (August 2021)
Die Qualität der Betreuung ausländischer Studierender zu sichern und weiter zu verbessern, mit diesem Ziel riefen die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) im Rahmen von GATE-Germany 2009 den Nationalen Kodex für das Ausländerstudium an deutschen Hochschulen ins Leben. Er legt gemeinsame Qualitätsstandards für die Bereiche Information und Werbung, Zulassung, Betreuung und Nachbetreuung fest. Das Konzept orientiert sich an der sogenannten Student Journey und umfasst alle Phasen des Studienverlaufs, von der ersten Anfrage über Anmeldung, Studium bis hin zum Abschluss – bei der Entwicklung des Kodex ging es darum, alle Hochschulbereiche mit ins Boot zu holen. Auch die Einrichtung einer Beschwerdestelle ist Teil der freiwilligen Selbstverpflichtung, mit der sich Hochschulen dafür stark machen, internationalen Studierenden wo immer möglich dieselben Rechte einzuräumen wie deutschen und ihnen gleichgestellten EU-Studierenden. Darüber hinaus sollen die Hochschulen genau da unterstützen, wo ausländische Gäste meist Hilfe benötigen.
Mit verbindlichen Standards werben
“Entstanden ist die Idee aus dem Marketinggedanken heraus”, erinnert sich Marijke Wahlers, Bereichsleiterin Internationale Angelegenheiten in der HRK. In der Arbeitsgruppe von HRK und DAAD war sie von Anfang an beteiligt an der Entwicklung des Kodex, der im Englischen als National Code of Conduct for German Universities Regarding International Students bekannt ist – kurz: Code of Conduct. Als sichtbares Versprechen hoher Qualitätsstandards lasse sich der Kodex sicher gut als Label im internationalen Marketing nutzen, so die Ausgangshypothese.
“Uns interessierte, wie andere Länder, die ebenfalls viele internationale Studierende empfangen, die Qualitätsstandards in der Betreuung und Hochschulausbildung sichern.” Das Team fand ähnliche Modelle in den Vereinigten Staaten und Großbritannien, in Neuseeland, Frankreich oder in den Niederlanden. “Im Vergleich zu Deutschland sind dort zum Teil mehr private Anbieter auf dem Markt, die Regelwerke sind daher an manchen Stellen etwas strenger und sehen sogar Sanktionen vor”, so Wahlers. “Wir wollten jedoch keine ‘Kodexpolizei’ etablieren, sondern setzen auf Selbstverpflichtung.”
Beitreten können Mitgliedshochschulen der HRK, sofern sie die Standards des Kodex innerhalb von sechs Monaten nach Unterzeichnung erfüllen. Auch Hochschulen, die nicht Mitglied der HRK sind, steht es frei, sich den im Nationalen Kodex formulierten Standards und Zielen verpflichtet zu fühlen und dies auf ihren Websites zu kommunizieren. Unmittelbar nach der Verabschiedung unterzeichneten bereits zahlreiche Hochschulen den Kodex, zuletzt schlossen sich die Hochschule Kempten und die Hochschule Fulda als jüngste Mitglieder den nunmehr 152 Signatarhochschulen an.
International sichtbarer werden
“Der Nationale Kodex ist für uns ein wichtiger Baustein der Internationalisierung”, sagt Donata Santüns, Referentin für Internationalisierung an der Hochschule Kempten. Der Beitritt stand für die kleine, im ländlichen Raum verankerte Hochschule bereits seit vielen Jahren auf der Agenda, den Anstoß gaben ein HRK-Audit und ein Antrag zum DAAD-Programm HAW.International. “In einem mehrmonatigen Prozess durchliefen wir eine sehr intensive Selbstanalyse”, so Santüns. “Wo stehen wir, was passt zu uns, wo wollen wir hin?” Die Antworten auf diese Fragen führten hin zu einer klaren Strategie: “Wir wollen verstärkt internationale Studierende auf die Hochschule Kempten aufmerksam machen, da sahen wir eindeutig Potenzial nach oben.”
Wenige Wochen nach dem Beitritt ist die Hochschule Kempten auf einem guten Weg, den Standards des Kodex bis zum Ende des Jahres gerecht zu werden. “Wir haben beispielsweise ein hervorragend funktionierendes Betreuungssystem, das auf die Vernetzung einheimischer und internationaler Studierender ausgerichtet ist”, sagt Donata Santüns, die über viele Jahre selbst das International Office leitete. “Wir erfüllen viele Voraussetzungen des Nationalen Kodex, haben dafür in der Vergangenheit jedoch nicht genug Marketing gemacht – da wollen wir jetzt aufholen.” Mehr Sichtbarkeit im internationalen Wettbewerb ist das Ziel, aktuell steht die Neukonzeptionierung der Website auf dem Programm. Dank der Unterstützung durch das über HAW.International geförderte Sprachenzentrum werden alle relevanten Informationen bis Ende des Jahres in englischer Sprache zugänglich sein. Die kostenlose Bereitstellung englischsprachiger Zeugnisse und Abschlussurkunden wird bis dahin ebenfalls ermöglicht, auch die IT ist in die Prozessoptimierung mit eingebunden.
Interne Veränderungen vorantreiben
Die Zweisprachigkeit der relevanten Dokumente und Prozesse zählt zu den größten Herausforderungen im internationalen Marketing deutscher Hochschulen, das zeigen Selbstauskünfte der Signatarhochschulen. “Das Thema ist sehr wichtig”, betont HRK-Expertin Marijke Wahlers. Und doch sei diese Aufgabe häufig nicht mit den nötigen Ressourcen hinterlegt. “So werden Hochschulwebsites häufig von vielen verschiedenen Administratoren gepflegt, die Konsistenz und Qualität der englischsprachigen Informationen ist vielfach noch entwicklungsbedürftig.” Der Kodex diszipliniert, und gibt mit seinen klaren Vorgaben einen Leitfaden an die Hand. Hochschulen nutzen ihn für die interne Qualitätssicherung, beobachtet Wahlers. “Im Marketing wird die Mitgliedschaft gar nicht so explizit nach vorne gestellt, wie wir vermutet hatten”, stellt sie fest. Die Selbstverpflichtung zeige jedoch eine sehr gute Wirkung nach innen. “Der Kodex unterstützt Hochschulen darin, ihr institutionelles Ziel zu erreichen, internationalen Zielgruppen qualitätsgesicherte Prozesse anbieten zu können.”
Die Universität Vechta zählt bereits seit 2014 zu den Signatarhochschulen des Nationalen Kodex. Die Zahl der internationalen Studierenden ist an der unter anderem auf Lehramt und Soziale Dienstleistungen spezialisierten Hochschule seitdem stark gestiegen. Der Nationale Kodex spiele dabei eine entscheidende Rolle, sagt Dr. Natalia Petrillo, Leiterin des International Office. “Die Universität Vechta ist als Hochschule attraktiver geworden, weil wir bestimmte Services und Betreuungsformate garantieren können.” Die im Kodex definierten Standards geben ihr und ihrem Team eine bessere Argumentationsgrundlage, um Entwicklungen voranzutreiben. “Wir haben einen Hebel, um Veränderungen innerhalb der Hochschule durchzusetzen – schließlich hat sie sich selbst dazu verpflichtet.”
Strategischer Baustein im Marketing
Als Marketingfaktor spiegelt sich der Nationale Kodex an der Universität Vechta vor allem in den Ergebnissen. Das Interesse an Erasmus+ Kooperationen ist groß, insbesondere seit Einführung der Erasmus+ Förderlinie “Mobilität mit Partnerländern” im Jahr 2015 ist die Zahl der internationalen Studierenden in Vechta gestiegen. “Die Hochschule ist attraktiver geworden, weil wir bestimmte Services und Betreuungsformate garantieren können”, so Petrillo. Das zeigten Evaluationen zum Ende der Gastaufenthalte, die sich an den im Kodex hinterlegten Themen orientieren.
In der Praxis wirken sich die Vorgaben des Kodex konkret aus: Die englische Übersetzung von Leistungsnachweisen ist inzwischen gut geregelt; mit den Wohnheimen wurden Zimmerkontingente für Studierende aus dem Ausland vereinbart, um die im ländlichen Raum schwierige Wohnungssuche zu erleichtern, und eine mit dem Beitritt eingerichtete Beschwerdestelle dient als zentraler Anlaufpunkt. “Man darf die Studierenden mit ihren Problemen nicht allein lassen”, betont Petrillo. “Allein schon eine ungewohnte Tastatur kann in Prüfungen zu schwierigen Situationen führen, weil Studierende aus anderen Sprachräumen manchmal einfach etwas länger brauchen”, berichtet sie aus dem IO-Alltag. “Wenn ich mit Lehrenden über diese Probleme spreche, komme ich nicht gleich mit dem Nationalen Kodex an. Aber es ist schön, dass es inzwischen ein Bewusstsein für diese Themen gibt.” Der Kodex habe starke Impulse nach innen gegeben und Diskussionen angestoßen.
Einen starken Schub registriert auch Donata Santüns von der Hochschule Kempten. “Intern haben sich gute, zielorientierte Kooperationen gebildet, das Thema ist in allen Bereichen angekommen”, stellt die Referentin fest. Nach außen wiederum wirke der Nationale Kodex wie ein Gütesiegel und werde künftig als Baustein des internationalen Marketings Verwendung finden. Als Logo integriert auf der Website, in Broschüren, auf Messen oder in der geplanten intensiveren Ansprache Deutscher Auslandsschulen. Auf den Bekanntheitsgrad allein setzt die Hochschule Kempten dabei nicht. “Ich verstehe es als unsere Aufgabe darüber zu informieren, worum es bei dem Nationalen Kodex inhaltlich geht”, betont Santüns. “Und was es bedeutet, diesem Verbund beigetreten zu sein.”
International vorbildlich
Weltweit sichern einheitliche Standards die Qualität der Ausbildung für internationale Studierende – einige Beispiele:
- Bienvenue en France
Das Label wird von Campus France für einen Zeitraum von vier Jahren vergeben und von einer unabhängigen Kommission validiert. - National Code of Practice for Providers of Education and Training to Overseas Students
Der Kodex ist Teil der National Strategy for International Education 2025 mit dem Ziel, Australien zu einem weltweit führenden Land in Bildung, Forschung und Ausbildung zu machen. - Standards of Good Practice for Education Abroad
Das Forum on Education Abroad setzt in den Vereinigten Staaten Standards in der Ausbildung internationaler Studierender. Die gemeinnützige Vereinigung ist vom US-Justizministerium und der Federal Trade Commission als Organisation zur Entwicklung von Standards (SDO) für den Bereich des Auslandsschulwesens anerkannt. - Code of Conduct International Student in Dutch Higher Education
Der niederländische Verhaltenskodex ist eine gemeinsame Initiative von Regierung und Hochschulen. Die von Dachorganisationen der Hochschulen entwickelten Vereinbarungen dienen der Qualitätssicherung und regeln den Umgang mit internationalen Studierenden. - New Zealand Code for the Pastoral Care of Domestic and International Students
Der von der neuseeländischen Regierung 2016 entwickelte Code of Practice legt die gesetzlichen Anforderungen fest, an die sich Bildungsanbieter halten müssen. Eine überarbeitete Version tritt Anfang 2022 in Kraft. - International Student Mobility Charter
Die von der European Association for International Education (EAIE) länderübergreifend entwickelte Charta vertritt die Interessen Studierender im Ausland. Auch das Erasmus Student Network (ESN) ist Teil der 2012 gegründeten Vereinigung.
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