20 SCHRIFTENREIHE HOCHSCHUL- MARKETING NACHHALTIGKEIT UND INTERNATIONALES HOCHSCHULMARKETING

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Inhalt 1 –– Nachhaltigkeit im internationalen Hochschulmarketing S. 6 Eine klare Positionierung zu dem Thema schärft das Profil einer Hochschule im internationalen Wettbewerb 2 –– Umwelt-Campus Birkenfeld S. 14 Der Umwelt-Campus Birkenfeld vermittelt nachhaltige Themenkomplexe in allen Studiengängen Nachhaltigkeit an der WUR S. 28 Renske van Dijk von der Universität Wageningen über den Nutzen von Nachhaltigkeitsrankings 3 –– Freie Universität Berlin S. 30 Die FU Berlin engagiert sich als Vorreiterin für Klimaschutz und Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit an der TUM S. 44 Professor Thomas F. Hofmann, Präsident der Technischen Universität München, über konkrete Hand- lungsfelder für Nachhaltigkeit 4 –– Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden S. 48 Die OTH denkt Nachhaltigkeit international und arbeitet eng mit tschechischen Partnern zusammen 5 –– Fazit S. 63 Das Wichtigste zum Thema in Stichpunkten 5

EINFÜHRUNG 1 NACHHALTIGKEIT IM INTERNATIONA- LEN HOCHSCHUL- MARKETING

1 Nachhaltigkeit im internationalen Hochschulmarketing Umwelt-Impact ihrer Hochschulen – zu Energieverbrauch und Mobili- tät ebenso wie zu CO2-sensibler Digitalisierung. Auch Studien verzeichnen bereits einen anhaltend wachsenden Trend hin zu „grünen“ Hochschulen. Laut The Princeton Review wirken zum Beispiel ein verantwortungsvoller Umgang mit natürlichen Ressourcen auf dem Campus, studentische Umweltinitiativen und ein Lehrangebot, das nachhaltige Fragestellungen im Blick hat, auf immer mehr amerika- nische Studienanfänger und ihre Eltern attraktiv. Ein überzeugendes Ge- samtkonzept hat Einfluss auf ihre Studienwahl. Auch die Ergebnisse des „QS Environmental Concerns Survey 2019“ gehen in diese Richtung. Die Umfrage gibt Aufschluss über die Eindrücke und Erwartungen angehen- der Studierender, die sich für ein Studium in Großbritannien, Australien, Kanada oder den Vereinigten Staaten interessierten. 94 Prozent der Be- fragten attestierten Hochschulen, mehr für den Umweltschutz tun zu können. Auch in dieser Gruppe zeigte sich, welchen Einfluss nachhaltige Angebote auf die Studienwahl haben können: 43 Prozent gaben an, sie würden sich sehr viel eher für einen Studiengang entscheiden, der ihnen vermittelt, wie sie ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren können. Weltweit stehen Hochschulen vor der Aufgabe, diesen Erwartungen jun- ger und internationaler Zielgruppen gerecht zu werden. Hochschulen in Deutschland begreifen Nachhaltigkeit zunehmend als einen wichtigen Baustein ihrer Internationalisierungsstrategie. Da- bei gehen sie unterschiedliche Wege. Die Freie Universität Berlin oder die Universität Bonn setzen auf Kooperationen: Während die FU Berlin den globalen Nachhaltigkeitsdiskurs im Austausch mit vier strategischen Partneruniversitäten vorantreibt, nutzt die Universität Bonn den Stand- ortvorteil des internationalen „Sustainability-Hub Bonn“. Globale Nach- haltigkeitsstrategien entwickelt sie in der Bonner Allianz für Nachhaltig- keitsforschung weiter, in der auch die Universität der Vereinten Nationen (UNU) vertreten ist. Kleinere Hochschulen wie der Umwelt-Campus Bir- kenfeld der Hochschule Trier oder die Hochschule für nachhaltige Ent- wicklung Eberswalde richten Betrieb, Lehre und Forschung systematisch auf Nachhaltigkeit aus und bringen ihren Anspruch schon im Namen zum Ausdruck. An der Ostbayerischen Technischen Hochschule Am- berg-Weiden führt das 2012 gegründete Institut für Nachhaltigkeit in 9

1 Nachhaltigkeit im internationalen Hochschulmarketing ganzheitliche Nachhaltigkeitstransformation von Hochschulen seien nicht nur die Aktivitäten einzelner Bereiche relevant, sondern deren Schnittstellen und synergetische Verschränkungen. Gefragt sei ein „Whole Institution Approach“, ganz im Sinne der Agenda 2030, der alle Hochschulebenen mit einbeziehe. Voraussetzung ist ein Gesamtkon- zept mit konkreten Maßnahmen und Zielen, das alle wesentlichen Handlungsfelder integriert. Auch die Zuständigkeiten für die Umset- zung der Nachhaltigkeitsziele müssen klar definiert werden. Das von den HOCH-N-Verbundpartnern erarbeitete Papier versteht sich als Leit- faden und gibt Hochschulen konkrete Anregungen zu allen wesentli- chen Handlungsfeldern an die Hand. Auch voneinander können Institutionen viel lernen. Ein Peer-to- Peer-Learning in digitalen und analogen Experimentierräumen regt die DG HochN mit ihrer Einladung zum Austausch in „ko-kreativen DG- Hubs“ an. Themen wie der Weiterbildung und Begleitung von Hoch- schulen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung widmet sich dieses Format ebenso wie ganzheitlichen Nachhaltigkeitskonzepten oder den Anforderungen beim Erstellen eines Nachhaltigkeitsberichts. „Mit den Hubs schaffen wir einen Kontaktpunkt für all jene, die Fragen haben und sich mit ihren Themen einbringen wollen“, sagt Dr. Georg Müller-Christ, Professor für Nachhaltiges Management an der Universität Bremen und Ansprechpartner der DG HochN. „Hoch- schulen sehen Nachhaltigkeit als ein für sie wichtiges Thema und ver- suchen, es zu bedienen“, beobachtet er. „Sie entwickeln Leuchttürme in der Forschung, und das macht organisatorisch auch Sinn. Aber wer das Thema ernsthaft aufnehmen möchte, muss sich auch den Dilemmata stellen.“ Hochschulen seien bis in die Tiefe ausdifferenzierte Wissen- schaftssysteme, die Reputation bislang vor allem über Spezialisierung erlangten. „Wo Bedeutung umverteilt werden soll, wird es schwierig.“ Der Wirtschaftswissenschaftler bezweifelt, dass Hochschulen die Organisationsentwicklung in Richtung einer nachhaltigen Institution aus eigenen Mitteln schaffen können. Damit ihre Nachhaltigkeitstrans- formation gelingen könne, sei eine ausreichende Finanzierung dieser Aufgaben unabdingbar. Die DG HochN vertrete daher die Forderung, 11

1 Nachhaltigkeit im internationalen Hochschulmarketing den Campus ausmacht. Egal, ob es um grüne Technologien geht oder Professorinnen über ihre Arbeit berichten: Wo der Nachhaltigkeits- gedanke fest verankert ist, schwingen authentisch vermittelte Inhalte in allen Geschichten automatisch mit. // GUT ZU WISSEN Top-down und Bottom-up – eine gute Mischung birgt Potenzial Nicht nur in Deutschland beobachten Wissenschaftler einen Bottom-up- Prozess bei der Implementierung von Nachhaltigkeitsprozessen an Hoch- schulen. Angesichts der Vielzahl unterschiedlichster Initiativen erkannten die Autoren der irischen Studie „Mapping of sustainability policies and initiati- ves in higher education institutes“ keinen für alle gleichermaßen geltenden Ansatz. Ihrer Untersuchung lag ein Vergleich irischer und internationaler Hochschulbeispiele zugrunde. Die meisten Nachhaltigkeitsinitiativen fokussierten sich auf das Leben auf dem Campus, so der Befund. Eine darü- ber hinausgehende Reichweite werde von Hochschulen vernachlässigt, kritisieren die Autoren: „Um ihr Potenzial auszuschöpfen, ist eine Mischung aus Top-down- und Bottom-up-Prozessen notwendig. Dabei ist die Unterstützung durch das Management unerlässlich, wenn nachhaltige Entwicklung langfristig Bestand haben soll.“ Weiterführende Adressen Deutsche Gesellschaft für Nachhaltigkeit an Hochschulen (DG HochN) HOCH-N Wiki netzwerk-n – für Nachhaltigkeit und Klimaschutz an Hochschulen HIS Portal für nachhaltige Entwicklung LINK-TIPPS 13

BEST-PRACTICE-BEISPIELE 2 UMWELT-CAMPUS BIRKENFELD

2 Umwelt-Campus Birkenfeld analysieren und erproben ihre Ideen in Forschungseinrichtungen di- rekt auf dem Campusgelände. Kreislaufwirtschaft, Digitalisierung oder nachhaltige Mobilität – in zukunftsweisenden Instituten und Projek- ten ist der Forschungsstandort Birkenfeld stark aufgestellt. Internationale Zielgruppen gewinnen am Umwelt-Campus zuneh- mend an Bedeutung. „Das Thema Nachhaltigkeit wird bei uns auf allen Ebenen umgesetzt und ist ein wesentliches Element der Internationali- sierungsstrategie“, betont Dekan Helling. „Mit un- serem klaren Fokus auf Umwelt und Nachhaltig- keit werden wir international wahrgenommen, selbst in Corona-Zeiten ist die Zahl der Studieren- den aus dem Ausland gestiegen.“ Englischsprachi- ge Lehrangebote wurden in den vergangenen Jah- ren gezielt ausgebaut, jede Ausschreibung für Lehraufträge beinhaltet inzwischen die Verpflich- tung, auch in englischer Sprache zu lehren. Die be- triebswirtschaftlichen Studiengänge am Umwelt- Campus punkteten beim CHE Ranking 2020 im Hinblick auf ihre internationale Ausrichtung ganz besonders. INTERNATIONALE STUDIENANGEBOTE Der Masterstudiengang „International Material Flow Management“ entwickelte sich aus einem ursprüng- lich mit Japan ins Leben gerufenen Doppelabschluss- programm. Aus der Partnerschaft entstand ein Netz- werk mit Hochschulen in Brasilien, Marokko, Taiwan und Mexiko. Auch Summerschools und die ein- bis zweisemestrigen „Study Semester“ ziehen Jahr für Jahr umweltbewusste junge Menschen aus aller Welt an. Jüngster Baustein im Zuge der Internatio- nalisierung ist der 2018 aufgelegte Bachelor of Sci- ence „Sustainable Business and Technology“, mit dem der Umwelt-Campus nun auch Studienanfän- gerinnen und -anfängern ein internationales, grund- ständiges Angebot macht. 17 Wir bilden die Führungskräfte von morgen aus. Nachhaltigkeit bedeutet für mich, dass wir als Hochschule das erforderli- che Fachwissen vermitteln, damit sie zur Umset- zung der Sus­ tainable Development Goals beitragen können. Prof. Dr. Klaus Helling, Dekan Fachbereich Umwelt- wirtschaft / Umweltrecht

Gerade internationale Studierende schätzen die kurzen Wege und die familiäre Atmosphäre auf dem Campus. B C U

2 Umwelt-Campus Birkenfeld Solaranlagen und das Biomasse-Heizkraftwerk Neubrücke. „Auf einer Führung habe ich überhaupt erst verstanden, wie die Energieversor- gung auf dem Campus funktioniert“, so Mihalić. „Das war für mich sehr wichtig.“ VOM „DRECK-WEG-TAG“ BIS ZUM „VEGANEN FRÜHSTÜCK“ – GRÜNE IDEEN SIND WILLKOMMEN Hochschule und Studierende arbeiten auf dem Campus eng zusam- men. Gemeinsam schaffen sie Angebote, die die vielfältigen Facetten von Nachhaltigkeit anschaulich zeigen. Vom veganen Frühstück über die Kleidertauschbörse bis hin zu Greenpeace-Filmabenden sind viele Aktivitäten im Green Office entstanden. Das junge Büro für nachhal- tige Projekte und Vernetzung am Umwelt-Campus Birkenfeld versteht sich als Schnittstelle verschiedener Institutionen, der Studierenden- schaft und Beschäftigten des UCB. Wer Ideen hat, trifft hier auf offene Ohren. Nicht selten werden über das Green Office auch Kontakte für wissenschaftliche Arbeiten zwischen Studierenden und Lehrenden hergestellt. Mit ihrem Engagement hinterlassen UCB-Absolventinnen und -Absolventen sichtbare Spuren auf dem Umwelt-Campus. Dafür sorgt auch eine grüne Tradition am Ende ihres Studiums: Denn für jeden studentischen Jahrgang wird ein Baum gepflanzt. Auf diese Weise ist in den vergangenen 25 Jahren schon ein ansehnlicher kleiner Mischwald entstanden. // Nachhaltigkeit im internationalen Hochschulmarketing Für den UCB ist Nachhaltigkeit ein Alleinstellungsmerkmal – und immer auch Teil des Hochschulmarketings. „Deutschlands grünste Hochschule“ – der Slogan zieht, selbst bei der Bundeskanzlerin. Bei ihrem Bürgerdialog mit Studierenden im Dezem- ber 2020 prangte das Label unübersehbar hinter einer Masterstudentin vom Umwelt-Campus Birkenfeld. Es verfehlte seine Wirkung nicht: Nach dem virtuellen Austausch zu den Folgen von Corona winkte 21

Fakten & Zahlen 180 Mitarbeiterinnen & Mitarbeiter 2.300 Studierende aus mehr als 65 Ländern 12 Bachelorstudiengänge 4 Duale Bachelorstudiengänge 12 Masterstudiengänge Laut GreenMetric-Ranking grünster Campus Deutschlands und Platz 6 weltweit ) 2 ( B C U Quelle: Umwelt-Campus Birkenfeld 7 Fachrichtungen Informatik l Maschinenbau l Physik und Energietechnik | Umwelt­ planung l Verfahrenstechnik | Umwelt­ und Betriebswirtschaft | Wirtschafts­ und Umweltrecht 60 Professorinnen & Professoren Forschungsinstitute & Kompetenzzentren auf ca. 4.000m2 Forschungsfläche 2 Fachbereiche Umweltwirtschaft/Umweltrecht & Umweltplanung/Umwelttechnik

Masterstudentin Vanessa Schuster durfte ihre Hochschule in einem Bürgerdialog mit Bundeskanzlerin Angela Merkel vertreten. B C U

2 Umwelt-Campus Birkenfeld Studiengänge in den vergangenen Jahren erreicht die Hochschule zunehmend neue Zielgruppen. Für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der stark beanspruchten Verwaltungsbereiche entwickelte das InDi da- her eine Reihe von Fortbildungen zu interkultureller Kommunikation. Ein Fokus ist der Gebrauch des Englischen im internationalen Kontext. UCB-Studierende aus verschiedenen Ländern steuerten dafür sogar Vi- deoclips mit Sprachproben bei, um die Teilnehmenden mit länderspe- zifischen Akzenten verschiedener, weltweit vertretener Varietäten des Englischen vertraut zu machen. „Uns geht es bei den Fortbildungen darum, für kulturelle Unterschiede zu sensibilisieren und sprachlichen Unsicherheiten zu begegnen“, erklärt InDi-Leiterin Brunner. Eine gute Kommunikation sei gerade in den ersten Wochen wichtig, um das Ver- trauen neu ankommender Studierender oder Gäste zu gewinnen. „Wenn sie ihre positiven Eindrücke und Erfahrungen dann an Freunde, Familie oder Bekannte weitergeben, ist das auch eine besonders effek- tive Form des Marketings“, betont die Wissenschaftlerin. „Voraussetzung dafür ist, dass sich Studierende an ihrer Hochschule wohl und will- kommen fühlen.“ // LINK-TIPPS Weiterführende Adressen International Team Umwelt-Campus Birkenfeld (UCB) Institut für Internationale und Digitale Kommunikation (InDi ) Hochschule Trier International: Kurzkonzepte zur Digitalen Internationalisierung 27

INTERVIEW Wie nutzt die Hochschule diesen Erfolg in ihrem internationalen Hoch- schulmarketing? Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility (CSR) sind wichti- ge Leitlinien der Wageningen University & Research. Die Hochschule widmet dem Thema daher eine Website, auf der wir alle relevanten Informationen bündeln. Neue Ergebnisse aus der Forschung sind hier ebenso zu finden wie aktuelle Infos zu studentischen Projekten oder der Link zum Instagram-Account des Green Office. Auch die Erfolge beim GreenMetric-Ranking werden hier natürlich prominent platziert. Sobald ein neues Ranking gelauncht ist, geben wir das auch über unse- re Social-Media-Kanäle bekannt. Welche Zielgruppen fühlen sich davon besonders angesprochen? Besonders attraktiv wirken diese Ergebnisse auf angehende inter- nationale Studierende, die sich für Studiengänge im Bereich der Um weltwissenschaften interessieren. Wobei wir in all unseren Programmen sehr umweltbewusste Studierende haben. In der Orien- tierungsphase sind grüne Rankings ein wichtiger Baustein – sie er- leichtern es Studieninteressierten, den für sie passenden Studiengang auszuwählen. Wir stellen durchaus einen Trend in diese Richtung fest, auch die von Times Higher Education herausgegebenen THE Impact Rankings bewerten inzwischen Indikatoren für nachhaltige Entwick- lung und berücksichtigen dabei seit 2020 alle globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung. Auch bei klassischen internationalen Rankings schneidet Wageningen gut ab. Welche Rolle spielen grüne Rankings im Vergleich? Wir stellen fest, dass QS World, die Times Higher Education World University Rankings und Shanghai Rankings stärkere „traffic driver” sind. Sie wecken Interesse und sind der erste Kontaktpunkt im Verlauf der „student journey“. Deshalb präsentieren wir alle Ergebnisse ein- flussreicher internationaler Rankings auf einer Ranking- Website und positionieren uns damit als internationale Top- Universität im Bereich der Agrarwissenschaften. Grüne Rankings wiederum sind in diesem Prozess ein wichtiger zweiter Schritt. Sie tragen dazu bei, Studierende von der Hochschule insgesamt zu überzeugen und sie zu einer Be- werbung für ein Studium zu motivieren. // 29

BEST-PRACTICE-BEISPIELE 3 FREIE UNIVERSITÄT BERLIN

3 Freie Universität Berlin NACHHALTIGKEITSPROJEKTE MIT PRAXISBEZUG Schon im Bachelorstudium haben Studierende der FU Berlin die Mög- lichkeit, sich mit Fragen einer nachhaltigeren Transformation ausein- anderzusetzen. Der Kompetenzbereich Nachhaltige Entwicklung ist einer von acht Wahlpflichtbereichen der Allgemeinen Berufsvorberei- tung (ABV), der sich inhaltlich und didaktisch an den Leitlinien des Konzepts Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) orientiert. Zur Auswahl stehen die vier Module Nachhaltigkeit managen, Nachhaltig- keit erforschen, Nachhaltigkeit konkret gestalten und Nachhaltigkeit kommunizieren mit bis zu zehn Projektseminaren und einer modul- übergreifenden Ringvorlesung. Ziel ist es, Bachelorstudierende unter- schiedlichster Fachbereiche zu erreichen und sie für zukunftsorientier- te Fragestellungen zu sensibilisieren. Das Interesse ist groß, viele Angebote sind regelmäßig überbucht. Kernstück des Kompetenzbereiches sind die Praxisseminare, in denen die Studierenden eigene nachhaltigkeitsbezogene Projektkonzepte oder Forschungsfragen entwickeln und auf dem Campus oder mit gesellschaftlichen Akteuren umsetzen. „Wir versuchen, Hochschule als Ort zu denken, an dem Nachhaltigkeitsfragen nicht nur theoretisch ge- dacht und verstanden, sondern auch praktisch erprobt und erfahren werden“, sagt Nora Große, die an der Stabsstelle Nachhaltigkeit & Ener- gie das Thema Lehre betreut. Dabei lernen die Studierenden auch die Komplexität und Zielkonflikte nachhaltiger Entwicklung sowie die Hürden und Fallstricke der Projektentwicklung kennen. „Vor allem ma- chen sie die Erfahrung, dass sie im Kleinen etwas bewirken können“, betont Nora Große. Aus ihrer Sicht ein besonders wichtiger Aspekt bei der Umsetzung des Konzeptes Bildung für Nachhaltige Entwicklung: „Vom Wissen zum Handeln kommen, darum geht es.“ SUSTAINABILITY TOOLBOX REGT ZUR VERNETZUNG AN Das notwendige Rüstzeug soll ein digitaler Werkzeugkasten für Nachhaltigkeit in der Hochschullehre vermitteln, den die Stabsstelle Nachhaltigkeit & Energie in Kooperation mit dem Center für Digitale Systeme (CeDiS) entwickelt. Übersichtlich und kompakt, mit Videos und interaktiven Lernelementen spricht die „Sustainability Toolbox“ Studierende, Lehrende und Hochschulangehörige gleichermaßen an. 33

r e h c a m n e n n a W d n r e B Das innovative Umweltkonzept der Philologischen Bibliothek, gebaut von Foster and Partners, verbindet Ästhetik und Umweltschutz.

3 Freie Universität Berlin GREEN IT UND STRATEGISCHES ENERGIECONTROLLING Der Universität ist es seit 2001 gelungen, den Energieverbrauch der FU um mehr als 26 Prozent zu reduzieren. Bis 2025 will die Hochschule klimaneutral sein. Ein universitätsweites Energie-Online-Monitoring, das Auffälligkeiten unmittelbar registriert, trägt ebenso dazu bei wie Solaranlagen, ein Prämiensystem, das Fachbereichen Anreize zu einer Reduzierung ihrer Energieverbräuche bietet, oder gezielte Energieeffi- zienzmaßnahmen im Rahmen des Programms Green IT. So werden beispielsweise die Rechenzentren der FU im Zuge modernisierter Ver- fahren seit 2010 wesentlich effizienter gekühlt. Das Interesse der Studierenden am Nachhaltigkeitsmanagement ihrer Hochschule nimmt an der FU Berlin deutlich zu, Fragen zu ei- ner nachhaltigkeitsorientierten Mobilitätsstrategie werden ebenfalls drängender. Mehr als 260 Vertreterinnen und Vertreter aus allen Be- reichen der Universität unterschrieben bereits eine Selbstverpflich- tung zum Verzicht auf Kurzstreckenflüge. Eine eigene „Fridays For Climate Justice“- Gruppe engagiert sich an der FU für den Klima- schutz. Sie macht sich dafür stark, möglichst viele Beteiligte in die Gestaltung einer nachhaltigeren und klimagerechteren Universität einzubinden. Die von Studierenden und Beschäftigten vorangetrie- bene Nachhaltigkeitsinitiative „Sustain it!“ wiederum setzt sich mit einem „FUdsharing-Fair-Teiler“ gegen Lebensmittelverschwendung ein, organisiert eine Kleidertauschbörse und betreibt „UniGarde- ning“ im Botanischen Garten. Allen Initiativen gemeinsam ist das Ziel, im Austausch auf dem Campus Projekte für die Zukunft anzu- stoßen. BIODIVERSITÄT IN DER „BLÄTTERLAUBE“ Die Möglichkeiten des Engagements und die Vielfalt der Projekte wa- ren für Noa Terracina ein Grund, aus Italien zum Studium an die FU Berlin zu gehen. Die Biologiestudentin koordiniert auf dem Cam- pus das im Sommer 2020 gestartete Projekt „Blätterlaube“, das von „Sustain it!“ in Kooperation mit der Initiative „Blühender Campus“ auf den Weg gebracht wurde. „Uns geht es darum, natürliche Lebensräume zu gestalten und Biodiversität zu unterstützen“, sagt die 21-Jährige. Hoch- gewachsene Buchen und alte Obstbäume geben dem Gemeinschafts- 37

Fakten & Zahlen 30.000 Studierende (im WS 2020/2021) Studierende aus dem Ausland 13 Prozent in Bachelor­ studiengängen, 28 Prozent unter den Masterstudierenden 170 Studiengänge Reduzierung des Energieverbrauchs zwischen 2001 und 2019 um 26,6 Prozent Ein Prämiensystem setzt den Fachbereichen positive Anreize: Bei Einsparung im Energieverbrauch erzielen sie Einnahmen. Seit 2012 entstanden vier Blockheizkraftwerke und zwischen 2008 und 2011 neun Photovoltaikanlagen. r e h c a m n e n n a W d n r e B Green-IT-Handlungs- programm seit 2010 Modernisierung der Kälteerzeugung und ­versorgung der Rechenzentren, Zentralisierung der Serverlandschaft, Universitätsweites Optimierung der IT­Beschaffung. Energiecontrolling seit 2001. Es wurde seit 2015 schrittweise zu einem Energie­ Ziel: Klimaneutralität Online­Monitoring ausgebaut. 2025 Quelle: Freie Universität Berlin

3 Freie Universität Berlin versitäten als Changemaker, sie sind öffentliche Einrichtungen und übernehmen eine besondere Verantwortung in dem Prozess.“ In der Allianz bündeln die Hochschulpartner ihre Kompetenzen, um gemein- sam zum Erreichen der 17 SDGs beizutragen. „Jeder unserer Partner ist mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert“, so Schweigel. Stichwort Klimazone: „Solaranlagen sind für Petersburg nicht so interessant wie in Israel, ein integrierter Campus in China wiederum stellt andere Anforderungen an ein nachhaltiges Campus- management als dezentral organisierte Konzepte. Das macht es so spannend.“ Komplementäre Stärken werden zur Entwicklung gemeinsamer Forschungs- und Lehrprojekte genutzt, die kanadische University of British Columbia gilt bereits seit den 1990er-Jahren als führend im Bereich Nachhaltigkeit. Ziel des Verbunds ist es, Forschende unter- schiedlicher Disziplinen, Doktoranden und Mitarbeiter der Universitäts- verwaltung miteinander in Kontakt zu bringen. Herzstück der Zusam- menarbeit sind die jährlichen Frühjahrskonferenzen der UAS, rund 600 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehr als 20 Ländern nahmen an den bislang fünf „Spring Campuses“ teil. Auch von außer- universitären Einrichtungen und anderen deutschen Hochschulen wird das Angebot gut angenommen. ONLINE-KONFERENZEN ERREICHEN NEUE ZIELGRUPPEN Bereits vor der Corona-Pandemie hatte die Allianz auf Livestreams und virtuelle Keynotes gesetzt, um möglichst viele Studierende und Fach- leute zu erreichen. 2020 organisierte die FU Berlin das große Netzwerk- treffen von Berlin aus als komplett digitales Event – mit Liveaustausch über verschiedene Zeitzonen hinweg. „Online konnten wir ganz neue Zielgruppen erreichen“, berichtet Projektleiterin Katrin Schweigel. „Kollegen und Kolleginnen aus Kirgisistan, dem Sudan, aus Lateiname- rika und aus dem Iran nahmen erstmals an unseren Netzwerkveran- staltungen teil.“ Auch die themenzentrierten Veranstaltungen des 2007 gegründeten International Sustainable Campus Network (ISCN) bieten Universitä- ten aus aller Welt ein reichweitenstarkes Forum zum Austausch von 41

3 Freie Universität Berlin dem grünen Campus widmete „wir“, das Magazin für die Ehemaligen der FU Berlin, zuletzt eine Spezialausgabe. Mit ihrer klaren inhaltlichen Positionierung zu Nachhaltigkeit und ihrem Engagement in strategischen Partnerschaften schärft die FU Berlin ihr Profil als internationale Netzwerkuniversität. Auch im globa- len Nachhaltigkeitsdiskurs räumt sie dem internationalen Erfahrungs- und Informationsaustausch zwischen Universitäten eine zunehmende Bedeutung ein und ist mit ihrer Expertise weltweit in Verbünden und Netzwerken präsent. Mit diesem Konzept geht die FU Berlin offenbar einen erfolgreichen Weg: Zwischen 2017 und 2019 stieg die Zahl der internationalen Forschungsprojekte, die sich mit Themen einer nach- haltigen Entwicklung beschäftigen, auf 37 Prozent. // LINK-TIPPS Weiterführende Adressen Nachhaltigkeit an der Freien Universität Berlin Kompetenzbereich Nachhaltige Entwicklung SUSTAIN IT! Initiative für Nachhaltigkeit und Klimaschutz SDG-Kompass für Nachhaltigkeit 43

INTERVIEW Über einzelne Disziplinen hinweg durchdringen heute Nachhaltig- keitsthemen viele unserer Forschungsschwerpunkte, sei es zu Klima- schutz, grünen Energien, lebenswerter Umwelt, intelligenter Mobilität oder Gesundheit. Der Nutzung nachwachsender Rohstoffe, der Ent- wicklung nachhaltiger Bioproduktionsprozesse und der zirkularen Bio- ökonomie widmet sich sogar ein eigener Campus: der TUM Campus für Biotechnologie und Nachhaltigkeit in Straubing. Neu ist allerdings die Bündelung unserer Kräfte auf diesen Schwerpunkten, und diese nutzen wir heute stärker für unseren Außenauftritt und für ein strate- gisches Marketing. Allerdings plädiere ich dafür, das Thema Nachhal- tigkeit von der Flughöhe des Marketings hin auf konkrete Handlungs- und Innovationsfelder herunterzubrechen. Wir sind gut beraten, das Thema Nachhaltigkeit differenziert zu betrachten, wissenschaftlich fundiert auf Schwerpunkte zu fokussieren und Innovationen voranzu- treiben, die ökonomische, ökologische und soziale Aspekte verbinden, denn wir wollen kein Greenwashing betreiben. Worauf kommt es dabei an? Es kommt darauf an, über die Disziplinen hinweg Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf den relevanten Schwerpunkten zu vereinen; dann können wir wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse und Innova- tionen auch nach außen darstellen und zeigen, was wir machen und wozu wir wirklich etwas beitragen können – nur dann bleiben wir glaub- würdig. Und auch die besten Talente in Wissenschaft und Lehre rennen nicht Schlagwörtern wie der Nachhaltigkeit hinterher, sondern gehen dorthin, wo sie auf ein exzellentes Umfeld treffen, um ihre Ideen auf Forschungsgebieten zur Sicherung der Zukunft von Mensch, Gesell- schaft und Natur in echte Innovationen umzuwandeln. Am Ende sind es ja die inspirierenden Menschen, die den Fortschritt machen. Hochschu- len sind gefordert, im Hinblick auf Nachhaltigkeitsthemen Fachleute zu transdisziplinären Teams zusammenzuführen. Deshalb lösen wir an der TUM unsere traditionellen Fakultätsstrukturen auf zugunsten größerer Schools und integrativer Forschungszentren. Dadurch wollen wir agiler und noch wirksamer Innovationen ermöglichen, die zunehmend an den Grenzflächen einzelner Disziplinen zu erwarten sind. Kombiniert mit einem strategischen Hochschulmarketing wollen wir auf unseren Zu- kunftsfeldern die besten Talente aus der Welt nach München bringen. 45

INTERVIEW bekannt und dies wiederum magnetisiert neue unternehmerisch den- kende und handelnde Talente aus aller Welt. Diese „Start-up“-Mentalität zu verbinden mit der führenden Forschungsexpertise auf nachhaltig- keitsrelevanten Zukunftsfeldern wird es uns ermöglichen, entscheiden- de Beiträge zu leisten zum gesunden Leben und Zusammenleben der Menschheit im Einklang mit der Natur. Im Marketing sehen Sie an der Stelle noch Verbesserungsbedarf. Welche Schritte stehen an? Kommunikation ist an der TUM seit Jahren professionell aus einer Hand an zentraler Stelle aufgehängt; das wird auch im Brand Develop- ment zum Thema Nachhaltigkeit so sein. Wir verbinden die vielfälti- gen Fachexpertisen unserer TUM-Gemeinschaft mit einem strategisch und TUM-weit koordinierten und zunehmend zielgruppenspezifischen Marketing. Damit wollen wir die jugendliche Begeisterungsfähigkeit und den grenzenlosen Wissensdurst unserer internationalen Studie- rendenschaft aktivieren, kreative Wissenschaftspioniere aus aller Welt nach München bringen und unsere Alumni und globalen Partner mo- tivieren, ihr weltweites Wissen und ihre langjährigen Erfahrungen zu- rück an die Universität zu bringen. // Video zum Interview Nah an den Studierenden: Austausch beim Presidential Student Lunch 47 M U T / t r e k c E d i r t s A

BEST-PRACTICE-BEISPIELE 4 OSTBAYERISCHE TECHNISCHE HOCHSCHULE AMBERG-WEIDEN

4 Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden vorbereitet. Klassische Inhalte aus dem internationalen Management stehen hier ebenso auf dem Lehrplan wie Module zu Klimawandel, Corporate Social Responsibility (CSR) oder Umweltökonomie. „Der handlungsorientierte Ansatz kommt international hervorragend an“, stellt Vizepräsidentin Professorin Christiane Hellbach fest. Für den zweiten Jahrgang gingen Bewerbungen aus 40 Ländern ein. „Die Reso- nanz ist überwältigend“, so Hellbach. Die Expertin für Handelsmanagement leitet das 2012 gegründete In- stitut für Nachhaltigkeit in Technik und Wirtschaft. Mit dem Aufbau dieser zentralen Institution, die alle hochschulweiten Aktivitäten ko- ordiniert, setzte die OTH Amberg-Weiden ein deutliches Signal. Ethik und Nachhaltigkeit sind seitdem fest in der Hochschulstrategie veran- kert. Im Auftrag der Hochschulleitung verfolgt das Institut einen ganz- heitlichen Ansatz und entwickelt Nachhaltigkeitskonzepte für alle Ebenen: Forschung, Lehre, Campus – und Transfer. Zum letzten Punkt: Über national und international ausgewiesene Forschungsprojekte ermöglicht die OTH Amberg-Weiden Kooperationen mit externen Partnern und damit unterschiedliche Formen des Wissenstransfers. INTENSIVER AUSTAUSCH MIT TSCHECHISCHEN PARTNERHOCHSCHULEN Mit der regionalen Wirtschaft arbeitet die Hochschule dabei ebenso eng zusammen wie mit ihren grenznah gelegenen tschechischen Part- nerhochschulen. „Nachhaltigkeit muss man international denken“, betont Hellbach. Fragen des Umweltschutzes würden auf tschechi- scher Seite oft anders bewertet. Über gemeinsame Lehrveranstaltun- gen fördere die OTH Diskussionen und den Austausch unter den Studierenden. „Dieser Perspektivenwechsel ist wichtig, um unter- schiedliche Standpunkte zu Nachhaltigkeitsthemen zu verstehen und positive Effekte zu erzielen.“ Seit Juni 2021 arbeiten Studierende der OTH und der Technischen Universität Pilsen in virtuellen Räumen zusammen und identifizieren sogenannte „Nachhaltigkeitsdilemmata“. Das interdisziplinäre „Open- Space-Format“ wurde im Rahmen einer Sonderausschreibung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) entwickelt. Das Programm 51

Praktische Hilfe im Alltag: Das International Office stellt einen Werkzeugkoffer zur Reparatur von Fahrrädern bereit. i r a b k A n a s a S

4 Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden „Für einige von uns ist es allerdings teuer, wenn Fahrräder repariert werden müssen“, erklärt Akbari. Für das International Office stellte er einen Werkzeugkoffer zusammen mit allem, was internationale Stu- dierende zur Reparatur von Fahrrädern oder anderen handwerklichen Arbeiten benötigen. „Wir können jetzt mit dem Fahrrad zur Uni fah- ren, ohne Angst vor platten Reifen zu haben!“ UNTERSTÜTZUNG VON OBEN: ENGAGEMENT IST GEWÜNSCHT Über das Institut für Nachhaltigkeit in Technik und Wirtschaft fördert die OTH verantwortungsvolles und umweltbewusstes Verhalten im studentischen Alltag. So lobt die Hochschule einmal im Jahr einen mit 500 Euro dotierten Preis für studentisches Engagement in Ethik und Nachhaltigkeit aus, zuletzt ging er an den OTH-Studenten Jonathan Ziegler für den Dokumentarfilm „Tausche T-Shirt gegen Hoffnung“. Seine Masterarbeit im Studiengang „Medienproduktion und -technik“ zeigt, wie faire Produktionsbedingungen das Leben von Menschen positiv verändern können. Mit der Preisreihe „Engagiert. Für Studie- rende!“ wiederum würdigt die Hochschulleitung das Engagement ihrer Studierenden für ein soziales und nachhaltiges Miteinander auf dem Campus. Preisträgerin Tanja Sivoronov, die im Dezember 2020 für ihre zahlreichen Nachhaltigkeitsaktivitäten ausgezeichnet wurde, lässt sich immer wieder neue Projekte einfallen, die das Leben auf dem Campus erleichtern – und zugleich gut für die Umwelt sind. Die 26-Jährige kam als Kind aus Russland in die Oberpfalz. An der OTH studiert sie Me- dienproduktion und Medientechnik und engagiert sich in der Studie- rendenvertretung. Von Wasserspendern, die den Verbrauch von Getränkeflaschen re- duzieren, bis hin zu einem ausgeklügelten Mülltrennungssystem gibt es auf dem Campus viele ökologisch sinnvolle und sozial verträgliche Angebote. Der Nachhaltigkeitsgedanke ist als abstraktes Thema meis- tens gar nicht so präsent. „Bedeutung hat, was das eigene Leben direkt betrifft“, beobachtet Tanja Sivoronov. Weil es praktisch und kosten- günstig ist beispielsweise. So entstand auch die Idee zu einer Tausch- börse, über die sich internationale Studierende für die Zeit ihres Auf- enthalts Dinge des täglichen Bedarfs wie Geschirr, Handtücher oder 55

Fakten & Zahlen 400 Mitarbeiterinnen & Mitarbeiter 3.539 Studierende aus mehr als 65 Ländern 26 Bachelorstudiengänge (alle dual studierbar) 20 Masterstudiengänge Als 10. Hochschule in Deutschland zur Fairtrade-University gekürt n e d i e W - g r e b m A H T O Quelle: OTH 4 Fachbereiche Maschinenbau und Umwelttechnik, Elektrotechnik, Medien und Infor­ matik, Wirtschaftsingenieurwesen und Gesundheit, Betriebswirtschaft (Weiden Business School) 92 Professorinnen & Professoren i r a b k A n a s a S 2-mal von der UNESCO ausgezeichnet für Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) 4 Studiengänge mit explizitem Nachhaltigkeitsbezug – 2 Bachelor-, 2 Masterstudiengänge Hochschulstandorte in Amberg und Weiden

4 Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden Ausland sei das deutsche System komplett neu, beobachtet Simone Fruth, Projektmanagerin im International Office der OTH Amberg- Weiden. „Viele kennen Mülltrennung aus ihren Heimatländern nicht oder anders und sind anfangs verwundert. Dann machen sie aber doch sehr engagiert mit und sind von dem System oft ganz begeistert.“ Ein Student erstellte gleich ein Schaubild, das zeigt, wie das Recycling an der OTH gehandhabt wird. Klare Informationen zur Mülltrennung, Tauschbörsen, die Ver- schwendung vermeiden, oder ein Fahrradfuhrpark für internationale Studierende: Das Thema Nachhaltigkeit ist im Campusleben der OTH Amberg-Weiden in vielfältiger Form verankert. Viele Initiativen und Projekte, die auch nach außen das Bild einer nachhaltig orientierten Hochschule prägen, gehen von Studierenden aus. Ihr Engagement ist ausdrücklich erwünscht. „Wenn bei diesen Aktionen Internationals selbst beteiligt sind, ist das natürlich total hilfreich“, sagt Simone Fruth, sie betreut die Social-Media-Aktivitäten im International Office. Ihr Team postet alles, was für internationale Studierende an der OTH interessant sein könnte, über einen eigenen, deutsch-englischen Insta- gram-Account. „Die meisten sind sehr stolz, wenn sie beispielsweise auf einem Bild zu sehen sind, und schicken die Beiträge über ihre eigenen Profile weiter.“ Auch das erhöht die Reichweite in der Ansprache internationaler Zielgruppen. ÜBER MICRO-INFLUENCER DIE REICHWEITE ERHÖHEN Über einen festen Stamm an Micro-Influencern will das Internatio- nal Office diesen Effekt künftig stärker nutzen. Aktuell entwickelt das Team eine Strategie, die internationale Studierende stärker in die Kommunikation einbezieht. „Manche legen jetzt schon los und sind beispielsweise auf TikTok unterwegs, einem Kanal, den wir gar nicht nutzen“, so Fruth. Ihr Team geht deshalb analytisch an die Sache her- an und sucht gezielt nach Studierendenprofilen, die zur Hochschule passen. Eigenes Engagement für Themen mit Nachhaltigkeitsbezug zählt definitiv zu den Kriterien, auf die bei der Auswahl Wert gelegt wird. „Entscheidend ist, dass unsere Micro-Influencer authentisch aus ihrem Studienalltag und über ihr Leben in der Region Amberg-Wei- den berichten“, betont Projektmanagerin Simone Fruth. „Wir lassen 59

4 Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden kleinen Videos zeigen, woher wir kommen und womit wir uns be- schäftigen“, sagt Timm. Mitte März 2021 startete die Gruppe mit wöchentlichen Posts zu Studium, Lehre und Nachhaltigkeit, die auf dem Instagram-Account der OTH Amberg-Weiden erscheinen. Auch Themen wie die Grüne Woche, Eco Travel mit Tipps zum nachhaltigen Reisen oder klimafreundliches Kochen sind angedacht. In Absprache mit dem Hochschulmarketing erstellen die Studierenden einen The- menplan und skizzieren grob den Ablauf der geplanten Beiträge. Nachhaltig sind nicht nur die Inhalte, das gesamte Projekt ist auf Langlebigkeit ausgelegt. „Unser Kurs ist längst zu Ende, aber wir haben Lust darauf bekommen und bleiben dran“, sagt Katharina Timm. Wenn die drei mit dem Studium fertig sind, übergeben sie das Marketing an die nächste Generation. // LINK-TIPPS Weiterführende Adressen Instagram-Account des International Office der OTH Amberg-Weiden OTH Amberg-Weiden auf Facebook Masterstudiengang „International Management & Sustainability“ Preis für Ethik und Nachhaltigkeit 61

FAZIT Nachhaltigkeit an Hochschulen – Was zeichnet Best Practices aus? GOVERNANCE Nachhaltigkeit wird als ein wesentliches Element der Inter- nationalisierungsstrategie verstanden und als Querschnitts- aufgabe auf Leitungsebene verankert. Hochschulen verstehen sich als Changemaker, die Verant- wortung für globale Herausforderungen übernehmen. Nachhaltigkeitsaktivitäten werden gebündelt und Zuständig- keiten klar definiert (Nachhaltigkeitsbeauftragte, Stabsstellen für Nachhaltigkeit, thematisch befasste Institute). Nachhaltigkeit ist im Leitbild festgeschrieben. Hochschulen verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz (Whole Institution Approach), der auf eine Vernetzung aller Hoch- schulbereiche setzt. International ausgewiesene Forschungsprojekte ermöglichen den Wissenstransfer mit Partnerhochschulen. LEHRE Viele Fachrichtungen beziehen nachhaltige Fragestellungen mit ein, Angebote werden interdisziplinär vernetzt. Lehre orientiert sich an den Leitlinien des Konzepts Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Ausbildung umfasst auch Kompetenzen im Umgang mit ge- sellschaftlichen und ökologischen Fragestellungen. 63

FAZIT Fachbereiche greifen das Thema Nachhaltigkeit gezielt auf, bei- spielsweise um neue, internationale Studiengänge mit Nachhal- tigkeitsbezug zu bewerben. Die Zusammenarbeit mit internationalen Hochschulpartnern ist ein Treiber im internationalen Marketing, über Netzwerke erzie- len Nachhaltigkeitsaktivitäten eine größere Reichweite. Virtuelle Formate erhöhen die Qualität von Nachhaltigkeitsko- operationen und schaffen so Grundlagen für Content: Je intensi- ver die Zusammenarbeit, desto lebendiger die Eindrücke, die sich vermitteln lassen. Themenzentrierte digitale Konferenzen ermöglichen Hochschu- len die Etablierung reichweitenstarker Foren für ihre Nachhaltig- keitskompetenzen und schärfen ihr internationales Profil. Green Rankings werden wichtiger: Gute Platzierungen unter- stützen die Markenbildung, hervorragende Bewertungen lassen sich als Alleinstellungsmerkmal nutzen. Themenzentrierte Magazine mit Fokus auf Nachhaltigkeit werden zur Ansprache bestimmter Zielgruppen wie beispielsweise Alumni oder Mitglieder der Hochschule eingesetzt. Platzierung des Themas im Web-Auftritt: Aktivitäten, Erfolge, Themen und Organisationsstrukturen werden auf einer eigenen Seite zum Oberthema Nachhaltigkeit gebündelt und kompakt präsentiert. 65