SERBIEN L Ä N D E R P R O F I L Informationen für das internationale Hochschulmarketing gate-germany.de

EDITORIAL INHALT Liebe Leserinnen und Leser, AUF EINEN BLICK Serbien Zahlen und Fakten, Hochschul- und Bildungsdaten Serbien ist seit 2003 Mitglied des Europäischen Hochschulraums und das Interesse an internationa- STIMMEN Deutsch-serbische Begegnungen Meinungen und Einschätzungen len Hochschul- und Forschungskooperationen ist POLITIK UND GESELLSCHAFT 04 06 groß. Deutschland ist dabei ein beliebtes Partnerland – nicht zuletzt setzen sich zahlreiche Alumni nach ihrer Rückkehr in Serbien für den bilateralen Aus- tausch und die weitere Vernetzung ein. Einige deutsch-serbische Hochschulkooperationen Auf Schaukelkurs Eine Mitgliedschaft Serbiens in der EU gilt politisch weiterhin als Ziel, auch wenn die Skepsis der Bevölkerung zugenommen hat 08 WIRTSCHAFT Gute Daten, harte Realität Serbien hat mit radikalen Strukturreformen und Sparmaß- nahmen die Wirtschaft auf Kurs gebracht. Doch bei vielen Menschen ist der Aufschwung noch nicht angekommen 12 existieren schon seit Jahrzehnten, in jüngster Zeit HOCHSCHULE UND FORSCHUNG kommen immer mehr hinzu. Serbien verfügt unter anderem in den MINT-Fächern über herausragende Fakultäten und Forschungseinrichtungen. Serbische Studierende und Forschende sind motiviert, engagiert und an einem Aufenthalt in Deutschland oft sehr interessiert. Weil die Abwanderung junger Menschen ins Ausland für das Land jedoch eine große Heraus- forderung darstellt, nehmen Partnerschaften mit Fokus auf einen beidseitigen Austausch einen beson- deren Stellenwert ein. Hochschulen in Serbien wollen in Zukunft arbeitsmarktorientierter ausbilden und die Forschung soll stärker mit der Industrie vernetzt werden. Internationale Kooperationen und Hoch- schulzusammenarbeit sind auch in dieser Hinsicht ein wichtiges Instrument. Die „Länderprofile“ bieten Hintergrundinformationen, die für das Hochschulmarketing, die Gewinnung internationaler Studierender und den Aufbau von DER ANDERE BLICK Vom Gönnenkönnen Warum Menschen in Serbien gern die Filialen einer deutschen Supermarktkette aufsuchen, erklärt Autor Krsto Lazarević Hochschulkooperationen nützlich sein können. IM FOKUS Viel Vergnügen bei der Lektüre! Deutsche und deutsch-serbische Einrichtungen Karte der Wissenschaftsbeziehungen Impressum Europäisch geprägte Bildungslandschaft Bildung und Forschung gelten in Serbien als wichtiger Motor für die Entwicklung. Die Hochschulen sollen künftig besser ausgestattet werden und arbeitsmarktorientierter ausbilden 14 „Serbiens Stärken bekannter machen“ Nikolas Djukić leitet BAYHOST. Ziel ist es unter anderem, über den Forschungsstandort Serbien zu informieren 17 „Hohes Niveau in der Grundlagenforschung“ Akademische Brückenbauer geben Einblicke in ihre Arbeit und Tipps für erfolgreichen Austausch 18 International und kreativ Erfahrungsberichte von Studierenden Austausch in beide Richtungen Serbiens Stärken, unter anderem in den MINT-Fächern, bieten gute Anknüpfungspunkte für Kooperationen Ein Land mit Technikbegeisterung Forschung nimmt in Serbien einen großen Stellenwert ein. Warum viele Institute dennoch vor Herausforderungen stehen Sechs gute Beispiele Deutsch-serbische Hochschul- und Forschungskooperationen im Porträt 21 22 24 26 30 31 02

LÄNDERPROFIL // 05 SERBIEN Hochschulbildung in Serbien Rund 242.000 Studierende waren im Studien- jahr 2020/2021 an einer der 89 Einrichtungen der Hochschul- bildung in Serbien eingeschrieben, etwa 85 Prozent von ihnen an Universitäten. Öffentliche Bildungsausgaben 3,6 Prozent des BIP 2018, Quelle: World Development Indicators (WDI) 8 staatliche Universitäten Teilnahme am tertiären Bildungssystem 67,8 % der Bruttoeinschulungsquote 2019, Quelle: WDI 10 private Universitäten 24 private berufsbezogene und akademische Hochschulen 47 staatliche berufsbezogene und akademische Hochschulen Zu den Universitäten zählen insgesamt 100 Fakultäten und Kunstakademien. Studieren im Ausland Mehr als 13.000 Studierende aus Serbien waren 2019 an ausländischen Hochschulen eingeschrieben. 1.944 gingen nach Ungarn, 1.679 nach Österreich und 1.593 nach Bosnien und Herzego- wina. Deutschland ist das viertbeliebteste Zielland. Quelle: UNESCO Studieren in Deutschland 3.182 serbische Studierende (davon etwa ein Drittel als Bildungsausländerinnen und Bildungsausländer) studieren an deutschen Hochschulen, unter ihnen 421 Studienanfängerinnen und -anfänger. Etwas mehr als die Hälfte der serbischen Studierenden ist weiblich. Die Mehrheit (1.809) studiert an Universitäten, 1.216 an (Fach-)Hochschulen, gefolgt von Kunsthochschulen (128), Pädagogischen Hochschulen (26) und Verwal- tungsfachhochschulen (3). Quelle: Statistical Office of the Republic of Serbia WS 2020/21 Quelle: destatis Österreich Ungarn SERBIEN Rumänien Bulgarien 1.183 919 INFOS UND TIPPS Das Portal Study in Serbia bietet einen Überblick über das serbische Bildungs- system, ein Hochschul- und Studien- gangsverzeichnis sowie Informationen zum Leben und Studieren in Serbien. www.studyinserbia.rs WS 2020/2021, Quelle: destatis Beliebteste Fächergruppen der serbischen Studierenden in Deutschland RECHTS-, WIRTSCHAFTS- UND SOZIALWISSENSCHAFTEN INGENIEUR- WISSENSCHAFTEN GEISTES- WISSENSCHAFTEN + E / s e g a m I y t t e G 376 326 MATHEMATIK, NATURWISSENSCHAFTEN

Jelena Volić- Hellbusch Solange es Jugoslawien noch gab und Deutschland in zwei politische Blöcke aufgeteilt war, bestand eine gewisse Ausgeglichenheit in den politischen und kulturellen Beziehungen beider Staaten. Im Zuge der Wiedervereini- gung Deutschlands und des gleichzeiti- gen Zerfalls Jugoslawiens in mittler- weile sieben Staaten haben sich die deutsch-serbischen Beziehungen kom- plett verändert. Vereinfacht gesagt begegnet heute ein wirtschaftsstarkes und politisch kohä- rentes Deutschland einem ökonomisch schwächeren und in seiner kulturellen Identität verunsicherten Serbien. Die Überwindung dieser Disproportionali- tät stellt sich als wichtige Aufgabe für die beiden Länder. Für Europa ist die serbische kulturelle Tradition unent- behrlich, weil sie die europäische Kul- turlandschaft ergänzt und vervollstän- digt. Serbien ist ein dem Kontinent Europa zugehöriges Land. Die weitere Einbindung und der intensive Aus- tausch mit der schon immer europä- isch geprägten Wissenschafts- und Hochschullandschaft Serbiens können den notwendigen Annäherungspro- zess unterstützen und beschleunigen. DR. JELENA VOLIĆ-HELLBUSCH lehrte in Belgrad und Kragujevac Neuere deutsche Literatur- und Kulturgeschichte. Sie war Mitarbeiterin in diversen Foren, die sich mit Serbien im europäi- schen Einigungsprozess befassen. Bei Diogenes sind drei Kriminalromane von ihr erschienen. Ilija Batas Bjelić Deutschland besuchte ich erstmals im Jahr 2009, nachdem ich mein Studium der Elektrotechnik an der Universität Belgrad abgeschlossen und ein DAAD- Stipendium für einen Forschungsauf- enthalt erhalten hatte. Damals absol- vierte ich an der TU Dortmund am Lehrstuhl für Programmiersysteme ein Praktikum. Eines der Themen, an denen ich arbeitete, machte ich später zum Gegenstand meiner Promotion an der Universität Belgrad. Es ging um die Simulation von Energiesystemen mit hohem Anteil an erneuerbaren Energien. Während meiner Promotion verbrachte ich einen Forschungsauf- enthalt am Fraunhofer-Institut für Sys- tem- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe und konnte mich mit zahl- reichen Expertinnen und Experten austauschen. In Serbien ist dieses Forschungsgebiet noch recht jung, ob- wohl es relevant ist und es viele span- nende Themen gibt. Deutschland und Serbien können hier stark von einem Austausch profitieren: Der serbische Nachwuchs ist motiviert sowie interes- siert – und die deutsche Wissenschaft hat eine große Expertise. DR. ILIJA BATAS BJELIĆ ist DAAD-Alumnus und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für technische Wissenschaften der Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste. LÄNDERPROFIL // 07 SERBIEN Christian Voß Serbien fungierte in vielerlei Hinsicht als ein politisches, intellektuelles und kulturelles Zentrum Jugoslawiens. Die Zerfallskriege der 1990er-Jahre haben die positiven Assoziationen mit dem Land im Westen allerdings stark erschüttert. Die heutigen Wissen- schaftsbeziehungen bieten daher eine wichtige Grundlage der erneuten An- näherung – und unter den serbischen Hochschulen finden sich dafür leis- tungsstarke Partner: Hochschul- rankings räumen insbesondere den Universitäten in Belgrad und Novi Sad Spitzenplätze im regionalen Vergleich ein. Dies gilt nahezu für das gesamte universitäre Fächerspektrum. Auch wenn die EU-Integration des Landes derzeit stockt, ist das Interesse an Kooperationen mit deutschen und anderen europäischen Hoch- schulen groß. 2019 hat Serbien seinen Erasmus+ Status vom Partner- zum offiziellen Programmland gewechselt. PROF. DR. CHRISTIAN VOß ist Professor für südslawische Sprach- und Kulturwissenschaft am Institut für Slawistik und Hungarologie der Humboldt-Universität zu Berlin. r i v at p r i v at p r i v at p

LÄNDERPROFIL // 09 SERBIEN POLITIK UND GESELLSCHAFT Auf Schaukelkurs In Serbien ist die Skepsis gegenüber der Europäischen Union laut Umfragen groß. Eine EU-Mitgliedschaft gilt politisch weiterhin als Ziel, ebenso setzt die Regierung auf eine enge Partnerschaft mit Russland und China. von Michael Martens Es war ein warmer Tag im November 2015, und 1,4 es hätte der Tag sein können, an dem alles an- ders wird. Aleksandar Vučić, damals Minister- präsident und heute Präsident Serbiens, war nach Srebrenica gekommen – in jenen Ort im Osten von Bosnien und Herzegowina also, der seit dem 11. Juli 1995 mit der bekanntesten der vielen Tra- gödien des Krieges in dem Balkanstaat verbunden ist. Bei dem von internationa- len Gerichten als Völkermord eingestuften Verbrechen waren mehr als 7.000 bosni- sche Muslime von Soldaten unter dem Be- fehl des bosnisch-serbischen Generals Rat- ko Mladić getötet worden. Vučić, zum Tatzeitpunkt ein 25 Jahre alter Student und Nachwuchspolitiker in Belgrad, war nicht daran beteiligt – und hatte doch Anteil an einer Politik, die zu Massakern wie jenem von Srebrenica führ- te. Von 1993 bis 2008 war er Mitglied der ultranationalis- tischen Serbischen Radikalen Partei. Seine berüchtigte Warnung an die bosnischen Muslime in einer Parla- mentsrede 1995, „Wenn ihr einen Serben tötet, werden wir 100 Muslime töten“, ist unvergessen in der Region. zweitgrößte Stadt ist Novi Sad mit knapp 300.000 Bewohnern. ZEICHEN DER VERSÖHNUNG Und nun, 20 Jahre und vier Monate nach dem Massaker, war Vučić also in Srebrenica. Er trat pragmatisch auf, mied nationalistische Aussagen, suchte den Ausgleich. Schon einige Monate zuvor, im Juli 2015, hatte Vučić ver- sucht, an der jährlichen Gedenkfeier für die Opfer von Srebrenica teilzunehmen. Er war aber mit Buhrufen und Steinwürfen begrüßt worden und musste das Gelände fluchtartig verlassen. Dass er vier Monate später wieder- kehrte, wurde ihm hoch angerechnet. Als der Politiker in Srebrenica die Bühne des Kulturzentrums betrat, schil- derte er, wie er sich am Morgen an der Gedenkstätte vor den Opfern verneigt hatte, um hinzuzufügen, dass er nicht nur Worte im Gepäck habe: „Die Regierung der Re- publik Serbien hat heute Morgen die Entscheidung getrof- fen, der Gemeinde Srebrenica fünf Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, die sofort …“ Weiter kam er nicht, da seine Worte kräftigen Beifall auslösten. Die Szene hat- te etwas Denkwürdiges: Ein serbischer Mi- nisterpräsident – dieser serbische Minis- terpräsident – kommt nach Srebrenica, hält eine Rede und wird von Applaus un- terbrochen. Und Vučić schloss mit einem Versprechen, das an diesem Ort und aus seinem Mund historisch klang: „Wir möchten eine gemeinsame Zukunft bauen. Wir wollen die nächsten 100 Jahre in Frie- den verbringen. Wir wünschen gute, freundschaftliche und brüderliche Bezie- Millionen Einwohner leben laut UN in Serbiens Hauptstadt Belgrad. Die hungen zu Srebrenica.“ ANNÄHERUNG AN DEN OSTEN Sechs Jahre später ist wenig ge- blieben von der Aufbruchsstim- mung und der Hoffnung, die ei- nige damit verbanden. Die dezidiert „pro-europäische“ Pha- se Vučićs, in der ein EU-Beitritt Serbiens als außenpolitisches Kardinalziel des Landes galt, scheint beendet. Vučić, der sein Land seit 2017 als Staatspräsident semiautoritär führt, nähert sich politisch, wirtschaftlich und rhe- torisch wieder stärker dem Osten an. Innenpolitisch muss er da- bei kaum Rücksichten nehmen. Seine 2008 gegründete „Serbi- sche Fortschrittspartei“ hat 159 der 250 Parlamentsmandate inne und kontrolliert gemeinsam mit ihren schwachen Koalitionspart- nern nahezu das gesamte Parla- ment. Die Opposition hatte die s e g a m I y t t e G a i v s i b r o C Aleksandar Vučić Der 1970 in Belgrad geborene Politi- ker wurde im Mai 2017 in das Amt des Staatspräsidenten Serbiens ein- geführt. Zuvor bekleidete er seit 2014 das Amt des serbischen Minis- terpräsidenten. Aleksandar Vučić studierte an der Universität Belgrad Rechtswissenschaften. Ein Aus- landsstudium führte ihn für mehr als ein Jahr an die Universität Brigh- ton in Großbritannien.

LÄNDERPROFIL // 11 SERBIEN hörigkeit zum europäischen Binnenmarkt, die zwar keine politische, dafür aber wirtschaftliche Teilhabe an den Vorteilen der EU sichern könnte. UNZUFRIEDENHEIT DER JUNGEN GENERATION Es gibt in Serbien jedoch auch eine junge Generation, die sich mit der aktuellen Politik nicht zufriedengibt und die vor allem nicht länger warten will. Insbesondere als Re- aktion auf chinesische Großinvestitionen im Bergbau und im Hüttenwesen, die zum Teil massive Umweltver- schmutzung nach sich ziehen, ist in Serbien eine partiell auch sozialpolitisch aktive Umweltbewegung entstanden, die sich durch Proteste und Demonstrationen immer stär- ker Gehör verschafft. Noch sind die vielen lokalen Initiati- ven nur schwach vernetzt, doch sehen manche hier be- reits den Nukleus einer grünen Partei entstehen, wie sie in Serbiens westlichem Nachbarstaat Kroatien zuletzt durchaus erfolgreich war. Andere, vor allem junge Menschen verlieren die Geduld und verlassen ihr Land. Serbien hat noch knapp sieben Millionen Einwohner, doch Jahr für Jahr werden es weni- ger, bedingt durch eine Kombination aus Abwanderung und niedriger Geburtenrate. Eine Trendwende ist trotz po- litischer Bemühungen bisher nicht in Sicht. Aleksandar Vučić hat indessen angekündigt, die nächs- ten Parlamentswahlen vorzuziehen. Sie sollen demnach bis spätestens April 2022 zusammen mit der dann fälligen Präsi- dentschaftswahl stattfinden. // ist Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Südosteuropa. AUTOR MICHAEL MARTENS Vor allem junge Menschen schätzen Belgrad für seine Kultur- und Ausgehszene. serbische Städte bombardierte. An die serbischen Opfer jener Angriffe wird in Serbien jedes Jahr im März erin- nert. Eine selbstkritische Debatte über die Vorgeschichte des Krieges findet in der staatlichen Darstellung der Ge- schehnisse hingegen nicht statt. Die vom Kosovo im Jahr 2008 proklamierte Unabhängig- keit wird vom serbischen Staat weiterhin nicht anerkannt. Serbien hat zwar keinerlei faktische Kontrolle mehr über den größten Teil seiner ehemaligen Provinz, doch die ser- bische Regierung hält an der Position fest, das Gebiet sei serbisches Territorium. Auch das war nicht immer so. Noch im Sommer 2017 hatte Vučić seine Landsleute auf- gefordert, nicht darauf zu warten, „dass uns das in die Hände fällt, was wir schon längst verloren haben“. Doch in der Tagespolitik blieb Vučić dem Kosovo gegenüber unnachgiebig. Die Lösung der aus Belgrader Sicht weiter- hin offenen Statusfrage des Kosovos bleibt damit das größte Hindernis Serbiens auf dem Weg in die EU. Es liegt allerdings nicht nur an Serbien, dass der Weg zu einer EU-Vollmitgliedschaft derzeit aussichtslos wirkt. Selbst viele Befürworter des politischen Grundgedan- kens, dass die EU ohne den westlichen Balkan unvollstän- dig sei, sind inzwischen skeptisch bei der Frage nach tat- sächlichen Neuaufnahmen ohne vorherige Reform der europäischen Abstimmungsverfahren unter den 27 Mit- gliedsstaaten. In Serbien wird ohnehin längst über Alter- nativen zu einer politischen Vollmitgliedschaft diskutiert. Genannt wird unter anderem die Möglichkeit einer Zuge- f i a l / r e g n e D r a m t e i D

LÄNDERPROFIL // 13 SERBIEN Wichtiger Produktionsstandort: Zahlreiche deutsche Unternehmen haben in Serbien ein oder mehrere Werke. F Z k c o t s r e t t u h S / c i s e P v a l s o r i M mer erhält gar nur den gesetzlichen Mindestlohn, der bei 343 Euro liegt. Eine wichtige Einkommensquelle bleiben deshalb für viele Serbinnen und Ser- ben die Überweisungen ihrer Angehö- rigen in Westeuropa. 2019 machten die Rücküberweisungen mehr als acht Pro- zent des serbischen Bruttoinlandspro- dukts (BIP) aus. 46,8 Milliarden Euro betrug das Brutto- inlandsprodukt (BIP) Serbiens laut Eurostat im Jahr 2020. Die Wirtschaftsleistung sank demnach um 0,9 Prozent. UMBAU DER WIRTSCHAFT Die serbische Regierung strebt inzwi- schen ein nachhaltigeres Entwick- lungsmodell an, in dem das Land nicht mehr nur als Produktionsstandort mit niedrigen Löh- nen dienen soll. Premierministerin Ana Brnabić hat die Umwandlung der serbischen Wirtschaft „von der Hand- arbeit zu wissensbasierten Jobs“ als Programm ausgege- ben. In mehreren Städten wurden Science Technology Parks gegründet, um Forschung und Wirtschaft besser miteinander zu vernetzen. Auch die Digitalisierung in den Schulen wird vorangetrieben: Alle serbischen Schu- len sollen mit Computern für den Unterricht ausgestat- tet und Informatik als Pflichtfach schon ab der Grund- schule eingeführt werden. Wurden von ausländischen Unternehmen zunächst vor allem arbeitsintensive Produktionsschritte nach Serbien ausgelagert, siedeln sich inzwischen tatsächlich mehr und mehr Technologiefirmen an. Die deutschen Automobilzu- lieferer ZF, Continental, Brose oder Bosch etwa betreiben eigene Forschungs- und Entwicklungszentren in Serbien. Auch lokale Tech-Unternehmen wurden in den vergange- nen Jahren vermehrt gegründet. Belgrad versucht, sich in dieser Branche als neue Start-up-City zu etablieren. Die Hoffnung, dass sich dadurch ein Trend umkehren lässt, mit dem alle Länder der Region zu kämpfen haben, hat sich allerdings noch nicht erfüllt: Jährlich wandern Schätzungen zufol- ge 45.000 Menschen – meist junge und gut ausgebildete Fachkräfte – aus Serbien ins Ausland ab, etwa die Hälfte geht nach Deutschland. Nach einer Erhebung der Westminster Foundation for Democracy denken vier von fünf serbischen Jugendlichen darüber nach, zu emigrieren. Die Folge: Ganze Regionen veröden, und in einigen Arbeitsbereichen herrscht Per- sonalmangel. Insbesondere im Gesund- heitsbereich ist die Situation durch die jah- relange Abwanderung des medizinischen Personals inzwischen kritisch. Den Brain- drain zu stoppen, die Ungleichheit bei der Einkommensverteilung zu verringern und zu verhindern, dass sich die Kluft zwi- schen den Metropolen Belgrad oder Novi Sad und den strukturschwachen Regionen in Süd- und Ostserbien weiter vertieft, sind die zentralen Herausforderungen für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung Serbiens. // p rivat AUTOR DR. DIRK AUER berichtet als freier Balkan-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien, darunter den Deutschlandfunk.

LÄNDERPROFIL // 15 SERBIEN Hervorragender Ruf: Die Universität Belgrad ist international bekannt, unter anderem für ihre Stärken in den Naturwissenschaften. Sie verfügt über ein breites Fächerspektrum und steht auch bei Studierenden aus den Nachbarländern hoch im Kurs. Zahlreiche westliche und östliche Einflüsse lassen sich aus der serbischen Geschichte ablesen. Doch für die Bildungslandschaft gilt: Sie ist europä- isch geprägt und auf Integration in den europäi- schen Hochschulraum ausgerichtet. Die 1807 gegründete erste Hochschuleinrichtung Serbiens orientierte sich bei Aufbau und Lehrplänen an den habsburgischen Lyzeen, in denen kaiserliche Staatsbeamte ausgebildet wurden. 2003 trat Serbien dem Bologna-Prozess bei und führte das European Credit Transfer System (ECTS), das dreizykli- sche Studiensystem und das Diploma Supplement ein. Seit 2019 ist Serbien Erasmus+ Programmland und erhält dadurch weitere Gestaltungsspielräume. Serbiens Regierung hat erkannt, dass Investitionen in Bil- dung und Forschung ein wichtiger Motor für die gesamt- staatliche Entwicklung sind. Die Hochschulen sollen modernisiert und zu gesellschaftlich und sozial verant- wortlichen Bildungseinrichtungen transformiert werden. In der 2021 verabschiedeten „Strategie für Bildung und Wissenschaft bis 2030“ werden drei hauptsächliche Ziele formuliert: die Förderung der Hochschulzusammenarbeit mit Arbeitgebern, Unternehmen und dem öffentlichen Sektor, die Digitalisierung des Hochschulsystems sowie die Internationalisierung der Hochschulen. Studienprogram- me sollen künftig mehr berufsbezogene Inhalte vermitteln und Berufspraktika in Lehrpläne integriert werden. Allerdings ist im Kontrast zu den ehrgeizigen Zielsetzungen in den vergangenen zehn Jahren ein Abwärtstrend in Bezug auf die gesamtgesellschaftlichen Bildungsausgaben zu beob- achten. Sie fielen von 4,75 Prozent des Bruttoinlandspro- dukts (BIP) im Jahr 2009 auf 3,59 Prozent im Jahr 2018. s e g a m / I y t t e G m o r C e r r e i P EIGENSTÄNDIGE FAKULTÄTEN Acht staatliche und zehn private Universitäten gibt es in Serbien. Sie sind vor allem auf Lehre ausgerichtet, während Forschung in den überwiegend staatlichen Forschungsins- titutionen und Akademien stattfindet. Die scheinbar kleine Anzahl an Universitäten mag zunächst täuschen, verber- gen sich dahinter doch insgesamt 100 Fakultäten und Kunstakademien. Wie auch in den anderen ex-jugoslawi- schen Staaten sind die Fakultäten einer Universität recht- lich eigenständig und teilweise finanziell unabhängig. Reformen auf staatlicher und selbst auf gesamtuniversitä- rer Ebene sind demzufolge schwerer durchzusetzen und es bestehen zum Teil große Unterschiede innerhalb einer Hochschule. So kann sich unter dem Dach derselben Uni- versität eine technisch sehr gut ausgestattete Fakultät in modernen Räumlichkeiten neben einem Fakultätsgebäu- de befinden, das seit Jahrzehnten nicht mehr renoviert wurde und mit seinen Schiefertafeln, Holzsitzreihen und altgedienten Bibliotheksbeständen eher die lange und ehrwürdige Tradition der Bildungseinrichtung bezeugt. Die bedeutendste, älteste und größte Hochschule in Serbi- en ist die Universität Belgrad mit mehr als 100.000 Studie- renden. An zweiter Stelle steht die Universität Novi Sad in der autonomen Region Vojvodina. Die Singidunum Univer- sität und die Megatrend Universität sind die größten priva- ten Hochschulen des Landes. Einige der privaten Einrich- tungen lehren nach modernen Curricula und unterhalten zahlreiche internationale Kooperationen, andere geraten re- gelmäßig mit dem Verdacht auf Plagiatsfälle oder Zweifeln an der rechtmäßigen Akkreditierung ihrer Studiengänge in die Schlagzeilen. STRUKTURIERTE PROMOTIONSPROGRAMME Die in Deutschland übliche Studienstruktur – drei Jahre Bachelor plus zwei Jahre Master – gibt es an serbischen Universitäten nur selten. Die Aufteilung erfolgt überwie- gend in vier Jahre Bachelor und ein Jahr Master. Die Pro- motion erfolgt ausschließlich in strukturierten, auf drei Jahre angelegten Programmen. Neben den Universitäten gibt es in Serbien 47 staatliche und 24 private sogenannte Höhere Schulen (Visoka Škola), an denen insgesamt rund 15 Prozent aller Studie- renden eingeschrieben sind. Im Vergleich mit dem deut- schen System sind sie in etwa zwischen Berufsschulen und Hochschulen für angewandte Wissenschaften anzu- siedeln. Unterteilt werden sie in akademische und ange- wandte Höhere Schulen (Colleges of Academic Studies und Colleges of Applied Studies), beide bieten berufsori- entierte Studienfächer mit dreijährigen Bachelor- und zweijährigen Masterprogrammen an. Im Jahr 2017 wurde BELIEBTESTE FÄCHERGRUPPEN DER SERBISCHEN STUDIERENDEN IN DEUTSCHLAND 1.183 RECHTS-, WIRTSCHAFTS- UND SOZIALWISSENSCHAFTEN 919 INGENIEURWISSENSCHAFTEN 376 GEISTESWISSENSCHAFTEN 326 MATHEMATIK, NATURWISSENSCHAFTEN Viele der serbischen Studierenden in Deutschland entscheiden sich für ein Fach in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Quelle: Statistisches Bundesamt, WS 2020/2021

LÄNDERPROFIL // 17 SERBIEN „Serbiens Stärken bekannter machen“ Serbien ist in einigen Disziplinen sehr forschungsstark – diese Erfahrung hat Nikolas Djukić gemacht. Ziel der von ihm geleiteten Einrichtung BAYHOST ist es unter anderem, über den Forschungs- standort Serbien zu informieren und Kooperationen zu unterstützen. Interview Miriam Hoffmeyer t a v i r p Herr Djukić, wie intensiv ist die Zusammenarbeit bayerischer Hochschulen mit serbischen Partnern? Seit 2004 haben wir ein Stipendienprogramm für Sommer- kurse: Serbische Studierende können an fast allen bayerischen Universitäten Deutsch lernen, deutsche an der Derzeit bestehen 16 Partnerschaften zwischen serbischen Universität Belgrad Serbisch. Auf der serbischen Seite und bayerischen Hochschulen, hinzu kommen Koopera- ist das Interesse so groß, dass die Zahl der Bewerbungen die tionen auf Fakultäts- und Fachebene. Es gibt aber noch viel der Plätze etwa um das Zehnfache übersteigt, für die Potenzial! Serbien ist unter anderem in den Natur- und Kurse in Belgrad gibt es etwa genauso viele Bewerbungen Ingenieurwissenschaften sehr forschungsstark, von einer Zu- wie Plätze. Zahlreiche Bewerbungen, quer durch die Dis- sammenarbeit können also beide Seiten fachlich profitieren. ziplinen, gehen immer für das Jahresstipendienprogramm Diese Stärken des serbischen Hochschulsystems sind in des Freistaats Bayern ein, das 2007 für Studierende Deutschland noch nicht sehr bekannt. 2019 haben wir des- sowie Doktorandinnen und Doktoranden aus Serbien ge- halb einen Serbisch-Bayerischen Hochschultag an der Otto- öffnet wurde. Darüber hinaus fördert BAYHOST kurze Friedrich-Universität Bamberg ausgerichtet, der sehr gut Forschungsaufenthalte von Studierenden und Nachwuchs- besucht war. Nach der Unterbrechung durch die Pandemie forschenden aus Bayern und Serbien im jeweils anderen können wir hoffentlich bald daran anknüpfen. Zu solchen Land. Veranstaltungen sind natürlich auch Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus anderen Bundesländern willkommen. Wie genau unterstützen Sie bayerische und serbische Hochschulen, die an Kooperationen interessiert sind? Was sollten deutsche Hochschulen bei der Zusammenarbeit mit serbischen Partnern beachten? Traditionell haben die Fakultäten in Serbien ein hohes Maß an Eigenständigkeit. Bei der Anbahnung und Fort- Wir helfen ihnen beispielsweise, geeignete Partner mit führung von Kooperationen sollte einem passenden fachlichen Profil zu finden. Außerdem kön- man die Dekanin beziehungsweise nen Hochschulen auf unsere landeskundliche Expertise zu- den Dekan immer mit einbinden. rückgreifen. Und zwei- bis dreimal im Jahr veranstalten wir Serbische Hochschulen sind an NIKOLAS DJUKIĆ ist Geschäftsführer des Workshops zu fachspezifischen Themen, in denen Wissen- internationaler Zusammenarbeit Bayerischen Hochschulzentrums schaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bayern und einem sehr interessiert und zeigen viel für Mittel-, Ost- und Südost- oder mehreren Ländern des östlichen Europas, die gemeinsa- Initiative. Nach meiner Erfahrung europa BAYHOST, das an der me Forschungsinteressen haben, Kontakte knüpfen können. werden Anträge trotzdem oft sehr Universität Regensburg angesie- Die Workshops finden meist an einer bayerischen Hoch- kurzfristig vorbereitet. Es sind schon delt ist. Das Zentrum unterstützt schule statt, die bereits bestehende Kooperationen auswei- Kooperationsprojekte daran ge- die bayerischen Hochschulen ten möchte. Die Idee des BAYHOST-Netzwerks ist, dass alle scheitert, dass die deutsche Verwal- bei der Zusammenarbeit mit der beteiligten Hochschulen einander mit ihren Kontakten und tung Details prüfen wollte, die noch Region und der Anbahnung Kooperationen unterstützen. nicht vorlagen. Aus meiner Sicht neuer Kooperationen. Nikolas BAYHOST fördert den Austausch auch mit Stipendien. Wie groß ist das Interesse daran? Fällen Flexibilität und Vertrauen zeigen. // West- und Südslawistik sowie Betriebswirtschaft. sollte die deutsche Seite in solchen Djukić studierte in Regensburg

LÄNDERPROFIL // 19 LÄNDERPROFIL // 19 SERBIEN SERBIEN r i v at p PROF. DR. ROBERT HODEL lehrt seit 1997 Slavische Literaturwissenschaft an der Universität Hamburg. Während seines Studiums der Slavistik, Ethnologie und Philosophie verbrachte er zwei Semester an der Universität Novi Sad. Zu seinen Veröffentlichungen zählen neben mehreren wissenschaftlichen Monografien und einer Biografie des Schriftstellers Dragoslav Mihailović auch Übersetzungen, darunter die Anthologie serbischer Lyrik „Hundert Gramm Seele“. Das Institut für Slavistik der Universität Hamburg pflegt seit vielen Jahren eine enge Zusammenarbeit mit der Philologischen Fakultät der Universität Belgrad. Organisatorisch ist das unkompliziert, weil schon seit 1978 eine Partnerschaft zwi- schen den beiden Hochschulen besteht. Wir laden jedes Jahr Dozentinnen und Dozenten aus Belgrad zu Vorträgen ein, meist in Verbindung mit einem For- schungsaufenthalt. Umgekehrt reisen wir regelmäßig zu Konferenzen nach Bel- grad. Zu den gemeinsamen Forschungsschwerpunkten gehören Narratologie und einzelne serbische Autorinnen und Autoren. Auch Übersetzungen spielen bei der Zusammenarbeit eine große Rolle. Ich bin auf Schriftsteller spezialisiert, die sehr hermetisch schreiben oder Dialekte verwenden und folglich schwer zu übersetzen sind. Mit den serbischen Kolleginnen und Kollegen berate ich stundenlang über einzelne Wörter und Sätze! Unsere Studierenden belegen regelmäßig Sommersprachkurse in Belgrad, außer- dem gibt es einen Austausch von Studierenden und Lehrenden. Die gegenseitige Anerkennung von Studienleistungen war lange Zeit problematisch, klappt aber inzwischen gut. Auf beiden Seiten ist das Interesse an dem Austausch groß, insbe- sondere bei den serbischen Studierenden. Viele würden gern auf Dauer nach Deutschland kommen, weil die Verdienstmöglichkeiten in Serbien deutlich gerin- ger sind. Die Abwanderung gut ausgebildeter junger Menschen ist ein großes Pro- blem nicht nur für Serbien, sondern für den gesamten westlichen Balkan. Der Begriff Serbokroatisch wird heute übrigens nur mehr historisch verwendet, an unserem Institut lehren wir „Bosnisch/Kroatisch/Montenegrinisch/Serbisch“. Tatsächlich sind die Unterschiede verschwindend gering, doch die nationalen Empfindlichkeiten beim Thema Sprachen können groß sein. Bei öffentlichen Vor- trägen in diesen Ländern sollte man darauf Rücksicht nehmen, was aber nicht weiter schwierig ist. Als Gast wird man ohnehin immer mit überwältigender Freundlichkeit behandelt! Auch das macht die Zusammenarbeit mit Serbien so angenehm. MEIN TIPP Wenn man die Sprache ein bisschen spricht, kommt das in Serbien ausgesprochen gut an. Es genügt schon, ein paar Sätze zu lernen!

LÄNDERPROFIL // 21 LÄNDERPROFIL // 21 SERBIEN SERBIEN cija Stefanović u L International und kreativ Bei deutschen Studierenden geht Serbien als mögliches Ziel für einen Auslandsaufenthalt oft unter. Das ist schade, denn das südosteuropäische Land hat jungen Menschen einiges zu bieten. Belgrad zum Beispiel ist eine spannende und sehr lebendige Stadt mit einem ganz eigenen Charisma. Zahlreiche Expats aus Ländern wie China, Indien oder den USA sowie die weltweite wirtschaftliche Vernetzung verleihen der serbischen Hauptstadt eine internationale und dy- namische Atmosphäre, die Kunst- und Kulturszene wird oft mit Berlin verglichen. Für mich stand daher schnell fest, dass ich mich dort als DAAD-Sprach- assistentin bewerben würde. In meiner Arbeit am Institut für Germanistik der Phi- lologischen Fakultät in Belgrad erhielt ich einen guten Einblick in den Hochschulalltag. Die Universität Bel- grad ist in der Region sehr angesehen, die Studieren- den kommen aus dem gesamten ex-jugoslawischen Raum und viele Hochschulen im Ausland haben das große Potenzial für Kooperationen bereits erkannt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meiner Deutschkurse habe ich als sehr engagiert erlebt: Ob Studierende der Germanistik oder anderer Sprachen – das Deutschniveau ist insgesamt sehr hoch und bei Anfängerinnen und Anfängern besteht ein großes Interesse an schnellem Fortschritt. Ihre Gründe, Deutsch zu belegen, sind dabei vielfältig: Einige stre- ben Lehrberufe sowie Karrieren als Dolmetscherin- nen oder Übersetzer an, andere möchten Unterneh- men gründen oder auch im künstlerischen Bereich international tätig werden. Viele versuchen schon während ihres Studiums, berufliche Kontakte nach Deutschland zu knüpfen. SARA MARENČIĆ promoviert an der Humboldt-Universität zu Berlin im Fach Slawistik und unterrichtete 2020/2021 als DAAD- Sprachassistentin an der Universität Belgrad. Praxisnah und renommiert Die Kultur spielt in der deutschen Gesellschaft eine sehr wichtige Rolle – das zeigt allein die große Zahl der bekannten Künstlerinnen und Künstler, die in Deutschland leben. Auch auf politischer Ebene hat die Kunst einen hohen Stellenwert: In Deutschland wird in diesem Bereich viel investiert. Das motiviert zahlreiche internationale Studierende künstlerischer Studiengänge, nach Deutschland zu kommen. Auch mich zog es deshalb im Jahr 2018 nach Mün- chen. Mithilfe eines DAAD-Stipendiums absolvierte ich an der Hochschule für Musik und Theater zu- nächst einen Master in Akkordeon. Momentan belege ich den Studiengang Konzertexamen an der Hoch- schule für Musik Freiburg. Beide Institutionen sind sehr renommiert. Ich sammele wertvolle Erfahrun- gen und kann nicht nur tolle Konzerte besuchen, son- dern auch selbst an einigen mitwirken. Das ist mir besonders wichtig. Das Musikstudium in Deutschland unterscheidet sich darin vom Studium in Serbien. In Deutschland habe ich öfter die Möglichkeit, meine künstlerischen Fähigkeiten auf der Bühne zu präsen- tieren. Ich arbeite mit verschiedenen Musikerinnen und Musikern sowie Komponistinnen und Kompo- nisten zusammen und habe mir mein eigenes Netz- werk aufgebaut. Das bereichert mich fachlich und pri- vat. An deutschen Hochschulen schätze ich vor allem die Internationalität: Ich treffe hier Studierende aus aller Welt, lerne täglich Neues über andere Kulturen und erweitere meinen Horizont. Sowohl Freiburg als auch München sind zudem einfach wunderschön. Die At- mosphäre ist jung und lebhaft, es gibt viele Freizeit- möglichkeiten und die Umgebung ist landschaftlich atemberaubend. Ich kann es mir gut vorstellen, auch in Zukunft in einer dieser beiden Städte zu leben. MARKO TRIVUNOVIĆ studierte zunächst an der Universität Kragujevac Akkordeon. 2018 wechselte er an die Hochschule für Musik und Theater München, wo er seinen Master abschloss. Aktuell ab- solviert er an der Hochschule für Musik Freiburg das Konzertexamen. r i v at p

LÄNDERPROFIL // 23 SERBIEN Engagiert und offen: Serbische Studierende haben großes Interesse an einem Studienaufenthalt im Ausland. Deutschland ist dabei das viertbeliebteste Zielland. AUSLANDSERFAHRUNG IST GEFRAGT Die junge Generation in Serbien ist sich darüber bewusst, dass internationale Erfahrungen oft die Berufschancen verbessern. In einer repräsentativen Umfrage wurden 2019 von den knapp 250.000 Studierenden in Serbien 11.000 befragt, dabei gab etwas mehr als ein Drittel an, nach dem Bachelorabschluss einen Master im Ausland anzustreben. Zwei Drittel dieser Gruppe verknüpften da- mit auch eine generelle Auswanderungsabsicht. Sie gaben an, nach dem Studienabschluss im Gastland bleiben und dort arbeiten zu wollen. Großes Interesse wecken daher insbesondere Hochschu- len mit angewandten Studiengängen und Unternehmens- kooperationen, die gute Arbeitsmarktchancen ihrer Ab- solventinnen und Absolventen vorweisen können. Da allerdings der Braindrain eine große Herausforderung für Serbien darstellt, sollten deutsche Hochschulen sensibel mit der Thematik umgehen. Wünschenswert sind in dieser Hinsicht vor allem der Aufbau und die Pflege von Austauschbeziehungen in beide Richtungen. HOCHSCHULPARTNER MIT VIEL POTENZIAL Die Universitäten Belgrad, Novi Sad, Kragujevac und Niš unterhalten bereits viele internationale Kooperationen, manche davon bestehen schon seit Jahrzehnten. Unter den privaten Hochschulen ist vor allem die Singidunum Universität international gut vernetzt. Ende 2021 bestan- den laut Hochschulkompass der HRK 72 Kooperationen zwischen deutschen und serbischen Hochschulen, die Tendenz ist stark steigend. Wer neue Partnerschaften aufbauen möchte, wird in Ser- bien fündig. Wissenschaft und Forschung sind besonders in den MINT-Fächern stark. Auch die Hochschulen für Kunst, Musik und Architektur bringen sehr gute Studie- rende hervor. In der gesamten serbischen Hochschulland- schaft besteht ein großes Interesse an weiterer internatio- naler Öffnung und Integration in den europäischen Hochschulraum. Zudem gibt es mit den zahlreichen Deutschland-Alumni kompetente und engagierte An- sprechpartnerinnen und Ansprechpartner vor Ort. Generell gilt, dass persönliche Kontakte in Serbien eine große Rolle spielen. Vom DAAD organisierte Match- making-Veranstaltungen werden von serbischen Hoch- schulvertreterinnen und Hochschulvertretern sehr gut angenommen. Bestehen noch keine fachlichen Kontakte zu einer bestimmten Abteilung, kann über das Interna- tional Office der entsprechenden Universität angefragt, das Alumni-Netzwerk genutzt oder im DAAD-Informa- tionszentrum Belgrad Unterstützung eingeholt werden. // engebühren qualifizieren, zwischen 430 und 7.200 Euro pro Jahr. Schließlich spielt auch die geografische Lage Deutsch- lands in der Mitte Europas eine Rolle bei der Entscheidungs- findung. Es ist von Serbien aus gut zu erreichen, die Ver- kehrsverbindungen zwischen den beiden Ländern sind zahlreich. Außerdem wird Deutschland als sicheres, frei- heitliches und zukunftsorientiertes Land wahrgenommen. DIREKTER HOCHSCHULZUGANG Serbische Studierende integrieren sich leicht an deutschen Hochschulen. Diejenigen, die den Schritt ins Ausland ge- hen, sind in der Regel hoch motiviert. Das serbische Abitur ermöglicht – verbunden mit den entsprechenden Sprach- nachweisen – den direkten Zugang zu deutschen Hoch- schulen. An den meisten serbischen Schulen wird Eng- lisch als erste Fremdsprache gelernt. Die Nachfrage nach englischsprachigen Studienprogrammen in Deutschland ist entsprechend groß. Bei den zweiten Fremdsprachen ist Deutsch in Serbien am beliebtesten, an einigen PASCH- Schulen schließen Schülerinnen und Schüler mit studier- fähigen Deutschkenntnissen (C1 / DSD II) ab. Studieninteressierte gelangen in Serbien meist über das Internet, Social Media – hier vor allem Facebook, Insta- gram, Twitter, YouTube und TikTok –, digitale und analo- ge Bildungsmessen, aber auch über DAAD-Alumni und die PASCH-Netzwerke an Informationen. Mehr als die Hälfte der Besucherinnen und Besucher der Website des DAAD-Informationszentrums Belgrad ruft diese mit ei- nem Smartphone auf. Die Websites der Hochschulen soll- ten deshalb responsiv und bereitgestellte Flyer auch auf einem kleinen Display lesbar sein. Auch die Elternanspra- che spielt eine Rolle, denn ohne familiäre Unterstützung ist ein Studium im Ausland oft nicht finanzierbar.

LÄNDERPROFIL // 25 SERBIEN Erfolgreich im Kampf gegen Viren: Das Torlak-Institut für Virologie gilt als herausragende serbische Forschungseinrichtung. neuere Geräte reparieren.“ Bei Neuanschaffungen überlege er stets sehr genau, welche Bestellungen wirklich notwen- dig sind: „Wenn für ein zweijähriges Projekt 200.000 Euro bewilligt sind, verschlingen 40.000 Euro für ein Messgerät bereits einen erheblichen Teil des Budgets.“ EU-KOOPERATIONEN SPIELEN EINE WICHTIGE ROLLE Das Bildungsministerium verfüge zwar über Mittel für die Gehälter, aber oft nicht über die Fonds zum Kauf der kostspieligen Ausrüstung, so Rodić: „Umso hilfreicher sind für uns die europäischen Forschungsprojekte. Mit deren Hilfe können wir die für unsere Arbeit nötige Ap- paratur beschaffen und gleichzeitig den Technologie-Rei- fegrad des Instituts erhöhen.“ Neben der Finanzierung macht Serbiens Wissenschaft vor allem das geringe Investitionsinteresse der Industrie zu schaffen. Serbiens Forschung wird nur zu 10 Prozent von der Wirtschaft finanziert – in Deutschland liegt dieser Wert bei 69 Prozent. Mit der Schaffung von Sience Techno- logy Parks in Belgrad, Čačak, Kragujevac, Niš und Novi Sad, die als Start-up-Hilfe dienen sollen, versucht die Regie- rung, Wissenschaft und Wirtschaft besser zu vernetzen. Spasenović hat immerhin ein lokales Schallschutzunter- nehmen als Sponsor für die Entwicklung eines Mikrofons mit Graphen-Membran gewinnen können – spricht aber von einer seltenen Ausnahme: „Anders als zu jugoslawi- schen Zeiten haben die Institute heute kaum mehr eine Anbindung an die Industrie.“ Heimische Firmen setzten oft auf „schnelle Sofortlösun- gen“ und den kostspieligeren Technikimport, berichtet auch Rodić: „Dabei können wir ihnen für weniger Geld genau auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Roboter entwi- ckeln.“ Ausländische Investoren, die ihre Produkte meist in ihren Heimatländern entwickeln ließen, seien wieder- um oft nur am Personal, aber kaum an den Dienstleistun- gen serbischer Institute interessiert: „Doch wenn dauer- haft die besten Nachwuchskräfte abwandern oder abgeworben werden, wird eine Dysbalance geschaffen. Das ist weder für Serbien noch die EU gut.“ ABWANDERUNG ALS GROSSE HERAUSFORDERUNG Für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sei es natürlich sinnvoll, einige Zeit im Ausland zu verbrin- gen, so die Empfehlung von Rodić. Als früherer Hum- boldt-Stipendiat möchte er die Erfahrung seines zweijäh- rigen Forschungsaufenthalts an der TU Braunschweig nicht missen: „Ideal wäre, wenn die Leute das Erlernte mitbringen und weitergeben. Aber viele Stipendiatinnen und Stipendiaten kehren heute leider nicht mehr zurück.“ Es seien nicht nur die höheren Gehälter, sondern auch die „sehr statische Hierarchie“ in Serbiens Instituten, die jun- ge Forschende ins Ausland abwandern ließen, ist die Er- fahrung von Spasenović. Im europäischen Verbund etwas Neues zu schaffen, sei nicht nur interessant, sondern auch nützlich: „Der Austausch von Wissen hilft allen.“ Schon mit kleinen bilateralen Pro- jekten schaffe man die Basis, um sich mit Partnern um große europäische Forschungs- projekte bewerben sagt Spasenović: „Denn es geht nicht nur um Mit- tel, sondern auch um die Relevanz der For- schung. Es geht darum, dass unsere Arbeit in Belgrad den Kolleginnen und Kollegen in München oder Prag weiterhelfen kann.“ // zu können, p rivat AUTOR THOMAS ROSER berichtet als Korrespondent aus Serbien für verschiedene deutschsprachige Medien, darunter die Frankfurter Rundschau und die Stuttgarter Zeitung.

Soziale Traumata erforschen Gesellschaften sind historisch betrachtet auch durch traumatisierende Ereignisse und Entwicklungen geprägt. Das interdisziplinäre Netzwerkprojekt „Social Trauma in Chan- ging Societies“ (STICS) ermöglicht es Studierenden und Lehrenden aus Deutschland und Serbien sowie aus Bosnien und Herzegowina, Bulgarien und der Türkei, sich ge- meinsam mit den vielschichtigen soziotraumatischen Problemen und psychosozialen Bedingungen dieser Länder zu beschäftigen. Ziel ist es, Problemfelder wie den Aus- schluss von Minderheiten, die Entstehung nationalistischer und antidemokratischer Bewegungen oder die Aufrechterhaltung korrupter Strukturen in Auseinandersetzung mit der jeweiligen soziotraumatischen Geschichte zu betrachten. Auch Herausforde- rungen infolge wachsender Migrationsbewegungen sollen so besser analysiert werden können. Die DAAD-geförderte Kooperation besteht seit 2012. Projektpartner in Deutschland ist die International Psychoanalytic University (IPU) in Berlin, in Serbien sind die Universität Niš und die Universität Belgrad beteiligt. „Weil die Fördermittel aus Deutschland kommen, bestand die Gefahr einer Asymmetrie in der Kooperation, die gerade bei unserem Thema fatal wäre. Es ist uns aber gelungen, eine gleichberechtigte, sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit aufzubauen“, meint Professor Andreas Hambur- ger von der IPU. Praktisch alle Veröffentlichungen über soziale Traumata und deren Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft seien vom Geschichtsbild des Landes geprägt, aus dem sie stamm- ten, erläutert Professor Vladimir Hedrih von der Universität Niš: „Das ist das größte Hindernis für unsere Arbeit. Zugleich zeigt es, wie wichtig unser gemeinsamer Ansatz ist, sowohl für die Forschung als auch für die Lehre.“ Kern der Zusammenarbeit ist eine gemeinsame Sommerschule. „Über die teils gegensätzlichen offiziellen Geschichtsbil- der wird dort immer wieder sehr intensiv diskutiert“, sagt Hedrih. So werde die Bereit- schaft der Studierenden gestärkt, die eigene Perspektive kritisch zu reflektieren. Jedes Jahr nehmen insgesamt bis zu 60 Studierende der zehn beteiligten Hochschulen teil, die ebenso wie die Lehrenden aus verschiedenen Fächern kommen: Psychologie, Sozio- logie, Soziale Arbeit oder Politikwissenschaft. Fester Bestandteil jeder Sommerschule ist der Wahlpflichtkurs Soziale Traumata, der im Rahmen der Kooperation entwickelt und teilweise auch in die regulären Curricula der Partnerhochschulen übernommen wurde. Darüber hinaus wird jedes Jahr ein besonderes Thema in den Fokus genommen: Bei der hybriden Sommerschule 2021, die in Niš und als Online-Veranstaltung statt- fand, ging es ganz aktuell um die politischen und sozialen Auswirkungen der Corona- Pandemie. www.ipu-berlin.de t a v i r p Wie prägen offizielle Geschichtsbilder das Selbstverständnis einer Nation und der in ihr lebenden Menschen? Über Fragen wie diese tauschen sich die Teilnehmenden der STICS Summer School aus, zuletzt im September 2021. T H h ofer U M SIC n F r a u Kraftstoffe aus Pflanzen Kontaminierte Flächen wie Industriebrachen be- nötigen in der Regel eine aufwendige Sanierung, bevor sie für die Landwirtschaft genutzt werden können. Ein kostengünstiger Ansatz, um belaste- te Flächen wieder nutzbar zu machen, ist die Phy- tosanierung. Dabei werden Pflanzen eingesetzt, die während der Vegetationsperiode mit ihren Wurzeln bestimmte Schadstoffe aus dem Boden aufnehmen. Allerdings dauern Phytosanierungen mehrere Jahre, in denen die Flächen nicht genutzt werden können. Um dieses Problem zu lösen, erprobt das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Sulzbach-Rosenberg in einem europäischen Konsortium ein techni- sches Verfahren, bei dem die Phytosanierung mit der Erzeugung nachhaltiger Biokraftstoffe ver- bunden wird. Zu dem Konsortium gehören auch die Fakultät für Naturwissenschaften und Mathe- matik (Faculty of Sciences) der Universität Novi Sad sowie das renommierte Institut für Acker- und Gemüsebau (Institute of Field and Vegetable Crops) Novi Sad. Im Projekt Phy2Climate werden die Pflanzen nach der Ernte nach Sulzbach-Rosen- berg gebracht und dort mithilfe thermochemi- scher Verfahren in Diesel, Benzin und Schiffsdie- sel sowie in Koks für Kupferhütten umgewandelt. Das von der EU geförderte Projekt läuft seit An- fang 2021. „Den Kontakt zur Universität Novi Sad hat ein Industriepartner aus unserem Netzwerk hergestellt“, sagt Fabian Stenzel vom Fraunhofer UMSICHT. Neben kontaminierten Sedimenten aus dem Begej-Kanal nahe der serbisch-rumäni- schen Grenze werden weitere vier Versuchsflä- chen in Spanien, Litauen, Argentinien und Indien untersucht. Insgesamt sind 17 Partner aus zehn Ländern an Phy2Climate beteiligt. www.phy2climate.eu

Experimente im Hightechlabor Fettleibigkeit bei Schwangeren bedeutet für Mutter und Kind ein hohes Risiko. Die zugrundeliegenden Mechanis- men sind noch nicht vollständig geklärt, aber hohe Kon- zentrationen reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) – hoch- reaktiver sauerstoffhaltiger Moleküle – werden mit der Entwicklung von Adipositas und Typ-2-Diabetes in Ver- bindung gebracht. „Bislang gibt es kaum Daten über die Auswirkungen von ROS auf schwangere fettleibige Müt- ter und ihre Kinder“, sagt Professor Miloš Mojović, Leiter der BiosCope Labs an der Fakultät für Physikalische Chemie (Faculty of Physical Chemistry) der Universität Belgrad. Gemeinsam mit Forschenden vom Deutschen Herzzentrum München (DHM), einer Spezialklinik der Technischen Universität München, leitet Mojović das Kooperationsprojekt „NADPH-Oxidasen bei der Entste- hung von Adipositas-bedingten Diabetesformen“. Unter anderem wollen sie erstmals die ROS-Konzentration im lebenden Fötus bestimmen, indem sie trächtige Mäuse mit neuen experimentellen Verfahren der Magnetreso- nanz untersuchen. Für solch ehrgeizige Forschungsprojekte müssen Geräte und Fachwissen beider Partnerlabore kombiniert wer- den. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom DHM sind schon mehrmals nach Belgrad gereist, um ge- meinsame Experimente mit den hoch entwickelten Magnetresonanzgeräten von BioScope durchzuführen. „Noch wichtiger als die gemeinsamen Experimente ist der Austausch von neuen Ideen und Erfahrungen“, be- tont Miloš Mojović. Die DAAD-Förderung des Projekts ermöglicht den Austausch von Doktorandinnen und Doktoranden sowie Postdocs. „Für Chemikalien und Ge- räte benötigen wir allerdings zusätzliche Mittel von öf- fentlicher Seite oder privaten Organisationen“, sagt er. „Ein ernstes Problem in Serbien sind die sehr knappen Mittel für die Grundlagenforschung. Deshalb sind wir immer auf der Suche nach Projektpartnern aus der EU, insbesondere aus Deutschland.“ Derzeit kooperiert BioScope Labs auch mit der Johannes Gutenberg-Univer- sität Mainz, dem Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen und der Martin-Luther-Universi- tät Halle-Wittenberg. www.bioscope.ffh.bg.ac.rs p e S c o B i o LÄNDERPROFIL // 29 SERBIEN t a v i r p Gegen Hass und Hetze „Hatespeech hat heute pandemische Ausmaße angenommen“, sagt Professorin Ranka Stanković von der Universität Belgrad. „Das vergiftet die Kommunikation auf vielen Ebenen.“ KI-gesteuerte Computerprogramme, die einzelne Wörter und Wortkombinationen als Hassrede erkennen, könnten wesentlich zu einem zivilisierteren Umgang miteinander beitragen. Seit 2019 arbeiten die Universi- tät Belgrad und die Universität Passau im interdisziplinären Projekt „Cross- Lingual Hate Speech Detection“ (HaSDet) zusammen. Beteiligt sind Forschende der Fachbereiche Informatik und Sprachwissenschaft, unter ihnen Masterstu- dierende und Doktoranden der Universität Belgrad sowie der Passauer For- schungsgruppe CAROLL, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. „Die Forschung und die vorhandenen Tools konzentrieren sich bislang auf Hass- rede in englischer Sprache“, erklärt Informatikerin Stanković. Mithilfe eigener Tools passten die Forschenden an der Fakultät für Bergbau und Geologie (Facul- ty of Mining and Geology) der Universität Belgrad die Sprachmodelle auf Basis von neuronalen Netzen, die die Universität Passau für das Deutsche entwickelt hat, an die Besonderheiten des Serbischen an. Außerdem sammelten sie Tau- sende von Wörtern und Wortkombinationen der serbischen Sprache sowie eini- ger eng verwandter Sprachen, die Menschen beispielsweise wegen ihrer Her- kunft, ihrer Klasse, ihrer Religion, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung herabwürdigen. Diese Wörter wurden in 18 Kategorien eingeteilt, etwa „beleidigend“, „bedrohlich“ oder „obszön“. Für ihre Arbeit griffen die For- schenden vor allem auf Tweets zurück, aber auch auf Texte aus anderen sozia- len Medien, Blogs und Boulevardzeitungen. Aus dem HaSDet-Projekt gingen schon mehrere wissenschaftliche Veröffentlichungen hervor, außerdem fanden je zwei gemeinsame Online-Workshops und -Seminare statt. In der nächsten Phase wollen die deutschen und serbischen Projektpartner Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ihren Datensätzen analysieren. Das Projekt soll auch dazu beitragen, die Zusammenarbeit zwischen beiden Universitäten ins- gesamt zu stärken. hasdet.jerteh.rs „Hatespeech hat heute pandemische Ausmaße angenommen.“ Professorin Ranka Stanković

IM FOKUS Eine Auswahl deutscher und deutsch-serbischer Einrichtungen und Ansprechpersonen LÄNDERPROFIL // 31 SERBIEN 2 1 2 Novi Sad 1 2 1 1 2 Belgrad 1 2 5 4 2 1 3 6 DAAD Kultur 1 Informationszentrum 1 Goethe-Institut Serbien 2 Lektorate Bildung Deutsche Stiftungen 1 Friedrich-Ebert-Stiftung 1 Zentralstelle für das Auslandsschulwesen 2 Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit 2 Deutsche Schule Belgrad Deutsche Auslandsvertretung 1 Deutsche Botschaft Wirtschaft 1 Deutsch-Serbische Wirtschaftskammer 2 Germany Trade and Invest 3 Hanns-Seidel-Stiftung 4 Heinrich-Böll-Stiftung 5 Konrad-Adenauer-Stiftung 6 Rosa-Luxemburg-Stiftung s e g a m I y t t e G