"Unsere Fächervielfalt kommt gut an"
Interview: Gunda Achterhold (September 2024)
Frau Professorin Schwartz, im Jahr 2000 wurden die Fachhochschule Magdeburg und die Fachhochschule Altmark zur Hochschule Magdeburg-Stendal zusammengelegt, kurz danach erfolgte auch schon der Beitritt zu GATE-Germany. Welche Rolle spielte das internationale Hochschulmarketing in dieser frühen Phase, und wie hat es sich entwickelt?
Ich war damals zwar schon an der Hochschule Magdeburg-Stendal tätig, aber sehr viel international unterwegs – in Frankreich, England und in den Vereinigten Staaten. Die Umbenennung und die Einführung eines internationalen Studierendenmarketings hatten damals vor allem Auswirkungen im Bereich der strategischen Ausrichtung der Hochschule. Veränderungen im internationalen Bereich zeigen aus meiner Sicht jedoch häufig erst sehr langfristig ihre Wirkung. Das sieht man auch am Beispiel der German-Jordanian University (GJU). Seit 2005 ist unsere Hochschule Projektträger dieser deutsch-jordanischen Hochschulpartnerschaft. Jetzt, nach zwanzig Jahren, sind wir an einem Punkt angelangt, an dem die direkte Vernetzung zwischen der Hochschule Magdeburg-Stendal und der GJU in verschiedenen Bereichen sichtbarer wird. Dies zeigt sich in der Verwaltung, bei der Aufnahme von Studierenden der GJU für das German Year und in der Kooperation zur Entwicklung gemeinsamer Studiengänge. Im Bereich des Austauschs von Lehrenden müssen wir jedoch noch aktiver werden.
Wie hat sich die Rolle als Projektträger der GJU auf die internationale Positionierung ausgewirkt?
Als strategische Partnerhochschule ist die GJU sehr sichtbar, auch in Sachsen-Anhalt. Sie wird für uns als Aushängeschild immer wichtiger und davon profitieren wir natürlich auch in unserem internationalen Hochschulmarketing. Wir präsentieren uns als international aufgestellte Hochschule, die sich souverän im bilingualen Raum bewegt, und erhöhen über die Zusammenarbeit mit unserer jordanischen Partnerhochschule auch unsere internationalen Studierendenzahlen.
Wie hoch ist der Anteil internationaler Studierender an den Standorten Magdeburg und Stendal?
Aktuell liegt der Anteil bei zehn Prozent, die Zahl schwankt jedoch. Ungefähr 14 Prozent unserer internationalen Studierenden kommen aus Jordanien, insgesamt ist die Gruppe auf dem Campus aber gut gemischt – viele kommen zum Beispiel auch aus dem Iran, Indien, Syrien, China und Österreich. Als Mitglied der Europäischen Hochschulallianz “StudyEU Amber Road” wurden wir in diesem Jahr zusammen mit acht weiteren Hochschulen mit dem “Seal of Excellence” der Europäischen Kommission ausgezeichnet. Fördergelder gab es für diese Auszeichnung zwar nicht, weil der Fördertopf begrenzt war, aber wir freuen uns über die damit errungene Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit. Die GJU, “StudyEU Amber Road” und weitere Hochschulkooperationen bieten also sehr gute Möglichkeiten, sich international zu positionieren.
Möglichkeiten, die Sie ja auch nutzen – mit den “Success Stories” ehemaliger GJU-Studierender beispielsweise und einer Podcast-Serie, die Einblicke in den Alltag an der jordanischen Partneruniversität gibt.
Für die Podcasts ist eine unserer Absolventinnen mit dem Mikro durchs Land gereist, um einen lebendigen Eindruck von diesem außergewöhnlichen Bildungsprojekt zu vermitteln. Beide Formate sind noch relativ neu, auch die Erfolgsgeschichten von Ehemaligen, die ihren Weg gemacht haben. Im Herbst werde ich wieder beim Treffen der GJU-Alumnae und -Alumni dabei sein. Der Kontakt zu ihnen und die Auseinandersetzung mit ihren Lebenslagen und Entwicklungen sind mir sehr wichtig und zudem ein schöner Beleg für den Erfolg des Projekts. Meine Teilnahme bietet die Möglichkeit, neue Informationen zu erhalten, die wiederum anderen internationalen Studierenden nutzen. Über diese Treffen lassen sich zudem neue Beispiele für die Stories und den Podcast finden.
Welche Studiengänge der Hochschule Magdeburg-Stendal sind bei Internationals besonders beliebt?
Wir haben an der Hochschule Magdeburg-Stendal eine große Vielfalt an Studiengängen, von Gebärdensprachdolmetschen und Sozialer Arbeit über Industriedesign bis hin zu Wasserwirtschaft, Ingenieurökologie, Kreislaufwirtschaft oder Elektrotechnik, Mensch-Technik-Interaktion und Maschinenbau. Ungewöhnlich viele unserer Angebote qualifizieren multidisziplinär, so etwa unser bundesweit einzigartiger Studiengang der Angewandten Kindheitswissenschaften am Standort Stendal. Bei internationalen Studierenden kommen unsere englischsprachigen Masterstudiengänge wie zum Beispiel Water Engineering sehr gut an. Das internationale Programm MEsIM, Master of Entrepreneurship and Innovation Management, wird ab diesem Wintersemester neu angeboten. Es ist ein Joint-Programm mit der GJU.
Der Chiphersteller Intel hat kürzlich seine Ansiedlungspläne am Standort Magdeburg auf Eis gelegt. Auch an Ihrer Hochschule wurden bereits Kooperationspotenziale diskutiert. Was würde die Ansiedlung im Hinblick auf die Rekrutierung internationaler Studierender bedeuten?
Das große Plus bei den Bewerberzahlen, speziell in den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen, lässt sich vermutlich auf die Intel-Pläne in Sachsen-Anhalt zurückführen. Sollte das Werk doch kommen, würden wir mit der entsprechenden Publicity mehr und mehr internationale Studierende anziehen, davon bin ich fest überzeugt. Es werden ja nicht nur Fachkräfte für die Halbleiterproduktion gebraucht. Auch Zulieferer, die sich in der Region ansiedeln würden, brauchen ganz unterschiedliche Kompetenzen. Und die Transformation des urbanen Raumes muss ebenfalls wissenschaftlich begleitet werden.
Ließ sich das Thema im internationalen Hochschulmarketing schon nutzen?
Wir sind mit Intel bereits seit 2022 im Gespräch. Aus unserem Bachelorstudiengang StREaM, Sustainable Resources, Engineering and Management, heraus haben wir 2023 mit Intel ein Projekt im Bereich der Abwasseraufbereitung entwickelt. Im Januar 2024 stellten fünf Studierenden-Teams ihre Lösungen am Firmenstandort in Irland vor. Drei Studierende aus drei verschiedenen Studiengängen – eine Italienerin, zwei Deutsche – wurden für ihre Leistungen als „Ambassador of Intel“ ausgezeichnet. Sie erhalten ein Stipendium bis zum Ende des Studiums. Außerdem wurde ihnen für das Wintersemester 24/25 ein Praktikum in Irland ermöglicht, was eine ganz großartige Gelegenheit für einzigartige Erfahrungen darstellt, weil sie Einblicke in die Produktion nehmen dürfen. Auch wenn sich die Intel-Ansiedlung in Magdeburg verspätet: die drei Studierenden profitieren von unserer bisherigen Kooperation mit Intel. Was die Studierenden über ihre eigenen Social-Media-Kanäle posten, was wir als Hochschule über unsere Marketing-Kanäle weitergeben, zeigt, dass wir auch mit international agierenden Firmen sehr gute Studien- und Praktikumsmöglichkeiten organisieren.
Sie selbst sind Musikwissenschaftlerin. Beeinflusst dieser Hintergrund Ihre Arbeit als Rektorin?
Beim Sommerkonzert des Akademischen Orchesters saß ich neben einem Studenten, er besuchte zum ersten Mal ein klassisches Konzert und war sehr angetan. Derartige Erfahrungen bestärken mich in meiner Idee, als Rektorin für eine multiple Bildung – und nicht nur fachbezogene Ausbildung – der Studierenden zu sorgen. Die Vielfalt aller Künste an der Hochschule erlebbar zu machen, dafür würde ich stehen. Wobei Musik im Kanon der Künste insofern besonders ist, als sie in Teilen eine nicht-sprachbasierte Kunst darstellt. In einem meiner Forschungsprojekte zum Thema Exil ist uns aufgefallen, dass es Musikerinnen und Musikern deutlich leichter gefallen ist, nach ihrer Emigration in ein fremdes Land ihren Beruf auszuüben und Fuß zu fassen. Musik wirkt international verbindend und schlägt Brücken zwischen den Kulturen.