Digital, hybrid oder in Präsenz: Welche Formate eignen sich wann und für wen?
Autorin: Gunda Achterhold (Mai 2022)
Zu Semesterbeginn erleben die International Offices der Hochschulen normalerweise besonders trubelige Wochen: Junge Menschen aus der ganzen Welt reisen nahezu gleichzeitig an und bringen neben ihrer Immatrikulationsbescheinigung jede Menge Fragen mit. Ein Ansturm, der für die Akademischen Auslandsämter manchmal nur schwer zu bewältigen ist. In den vergangenen beiden Jahren sah die Situation völlig anders aus, angesichts der Corona-Beschränkungen kamen wenige Internationals physisch an deutschen Hochschulen an.
“Die Herausforderungen lagen ganz woanders”, erinnert sich Christine Müller, Leiterin der Abteilung Internationales Studium in Bonn im Dezernat Internationales der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. “Wir erreichten ankommende Studierende nicht mehr so wie vorher, da die Kommunikation ausschließlich digital lief. Uns war schnell klar, dass wir eine Lösung brauchen, um sie mit grundlegenden Informationen versorgen zu können.”
Das Team führte eine App zur Organisation von Einführungsveranstaltungen für internationale Studierende ein, seit 2021 arbeitet das International Office mit einer erweiterten Version. Den Link erhalten internationale Studierende mit dem Zulassungsbrief. “So erreichen wir Studierende schon vor der Einreise und können mit ihnen bereits im Vorfeld wichtige Fragen klären”, sagt Lisa-Sophie Heidchen, sie koordiniert die App für die Zielgruppe der internationalen Studierenden. “Am Anfang haben wir uns auf das Wesentliche konzentriert, das Ganze muss schließlich auch langfristig händelbar bleiben.” Über das Wintersemester 2021/2022 sei das Projekt gewachsen, inzwischen bündelt die Welcome Days App alle wesentlichen Informationen und liefert Hinweise auf Veranstaltungen – vom Video-Meeting zum iStart Career Program bis hin zur Live-Begrüßung im Großen Hörsaal der Universität. Sie schafft die Verbindung zwischen Präsenzveranstaltungen und virtuellen Formaten, vernetzt die Nutzer und Nutzerinnen untereinander und weckt per Push-Nachricht Aufmerksamkeit für Aktuelles. Plötzliche Neuregelungen, etwa Anpassungen der Corona-Schutzmaßnahmen oder Änderungen im Programm, lassen sich über diese Funktion schnell und effektiv kommunizieren. “Es war uns besonders wichtig, über diese App Verlässlichkeit ausstrahlen zu können”, sagt Christine Müller.
Online-Tools strukturieren Beratungsprozesse
Das Feedback ist gut, etwa die Hälfte der internationalen Studierenden hat sich bereits registriert. Bis zum nächsten Wintersemester sollen es 80 Prozent sein, so das Ziel. Auch die Fachkoordinatorinnen und -koordinatoren seien froh, auf die Welcome Days App verweisen zu können, so Müller. Die personellen und finanziellen Ressourcen für ein solches Projekt seien allerdings nicht zu unterschätzen, betont sie. Aus ihrer Sicht habe sich die Investition jedoch auf jeden Fall gelohnt. Besonders mit Blick auf die Abbruchquoten internationaler Studierender: “Je früher wir für sie da sein und ihnen den Einstieg in das erste Semester erleichtern können, desto größer ist die Chance auf einen guten Studienverlauf.”
Hier setzt auch ein Online-Buchungssystem an, das die Universität Leipzig in der Beratung und Betreuung internationaler Studierender nutzt. Zu Beginn des ersten Lockdowns aus der Not heraus entwickelt, wird es auch in postpandemischen Zeiten dabei helfen, Massenanfragen zu strukturieren und letztlich die Qualität der Beratung zu verbessern. “Die Situation war vorher sehr unbefriedigend”, sagt Betina Sedlaczek, Referentin für Internationale Studierende in der Stabsstelle Internationales der Universität Leipzig. “Zu den Sprechzeiten kamen immer viele Studierende auf einmal, es bildeten sich lange Warteschlangen vor den Büros.” Corona gab den Anstoß, ein Buchungssystem bei einer externen Agentur in Auftrag zu geben, das in enger Abstimmung mit dem Rechenzentrum und dem Datenschutzbeauftragten der Universität entwickelt wurde. Studierende können über die Website Zeitfenster für eine Beratung buchen (und auch unkompliziert von unterwegs aus wieder stornieren), sie wählen dabei gleich ihr Thema und entscheiden sich je nach Präferenz für eine Beratung in Präsenz oder online.
Vorteile beider Welten nutzen
“Wir haben hier Studierende mit sehr ernsthaften Anliegen, für die wir da sein müssen”, sagt Dorothea Tkadleckova, Mitarbeiterin in der Stabsstelle Internationales. Sie berät internationale Studierende bei Studienzweifeln und koordinierte den Aufbau des Buchungssystems. “Die Terminfenster sorgen für klare zeitliche Vorgaben. Das nimmt auch bei uns den Druck heraus und hält uns den Rücken frei für jene, die mehr Aufmerksamkeit benötigen.” Im persönlichen Gespräch sei es leichter, eine Beziehung aufzubauen und über sensible Themen zu sprechen. “Und natürlich haben wir hier vor Ort kurze Wege und können organisatorische Probleme oft sehr schnell und unbürokratisch regeln.” Die Online-Beratung wiederum biete andere Vorteile, vor allem von Studierenden, die noch im Ausland sind, werde das Angebot gerne genutzt. “Wir teilen den Bildschirm, leiten sie über die Website und zeigen ihnen, wo sie welche Informationen finden”, sagt Sedlaczek. Auch wenn Eltern von Studierenden an der Beratung teilnehmen möchten oder nebenher Kinder beaufsichtigt werden müssen, sei das Online-Format von Vorteil. “Wir werden beide Formen der Beratung beibehalten”, so die Referentin.
Die Hochschule Schmalkalden fuhr während der Pandemie einen anderen Kurs. “Was in Präsenz ging, das haben wir angeboten”, sagt Marcus Hornung, Leiter des Dezernats Studium und Internationales. Für die peripher inmitten des Thüringer Waldes gelegene Hochschule gelte ein “Primat der Präsenz”. “Das internationale Flair auf unserem Campus und der landschaftliche Reiz der Region lassen sich nur vor Ort erleben, dieser Ansatz prägt auch unser internationales Marketing.” Der Anteil internationaler Studierender liegt bei 30 Prozent, während der Pandemiesemester verzeichnete die Hochschule Schmalkalden nach eigenen Angaben keine größeren Einbrüche. Das Studium war natürlich auch dort weitgehend in den virtuellen Raum verlagert, Willkommensveranstaltungen und Projekte fanden 2021 jedoch weitgehend wieder in Präsenz statt.
“Wir sind auf virtuellen Messen vertreten und unterfüttern auch unser Beratungsangebot gern digital”, so Hornung. “Bei der Wahl der Formate lassen wir uns letztlich vom Mehrwert leiten.” So ging zum Sommersemester 2022 an der Hochschule Schmalkalden die SUAS Incoming App an den Start, die sich an den Bedürfnissen neu ankommender Studierender aus dem Ausland orientiert und auf sie zugeschnittene Informationen bereithält. Ziel ist es, die Beratungsqualität zu verbessern, und zugleich die Berater und Beraterinnen der Hochschule zu entlasten. “Wir machen die Erfahrung, dass die Studierenden viel besser vorbereitet in ihr Auslandsstudium starten”, so Hornung. In der Phase zwischen Studienentscheidung und Antritt im Gastland sind digitale Formate aus seiner Sicht gut geeignet, um wichtige Brücken zu bauen. Der wesentliche Vorteil der App: Sie verzahne digitale Informationsangebote mit persönlicher Beratung.
Kriterien der Entscheidungsfindung
Und wie lässt sich nun am besten herausfinden, wann welches Format internationalen Zielgruppen besonders gut gerecht wird? Es gibt eine ganze Reihe von Kriterien und Faktoren, die in die Entscheidung für eine virtuelle, hybride oder Präsenzveranstaltung einfließen sollten. Marcus Hornung betont, dass die Zielgruppen, Anwendungsszenarien und Rahmenbedingungen der Hochschulen teilweise so heterogen seien, dass die Formatentscheidung immer individuell getroffen werden müsse. “Da sind verschiedenste Parameter zu beachten: Studienphase, gewünschter Abschluss, Vorbildung, Heimathochschule und im Idealfall auch regionale Kommunikationskonventionen.” Der Dezernatsleiter rät daher auch dazu, die Auswahl passender Formate für das internationale Marketing nicht einseitig aus der eigenen Perspektive zu denken, sondern wenn möglich Partner in den Zielregionen in die Überlegungen mit einzubeziehen.
Insgesamt befinden sich die deutschen Hochschulen vermutlich alle noch in einer Beobachtungsphase und müssen weiterhin testen, welche Formate sich wann und für wen am besten eignen. Wichtig wird auch künftig sein, die eigenen Angebote konsequent und fortlaufend zu evaluieren, Erfahrungen und Good-Practice-Beispiele festzuhalten und in den Austausch mit anderen Hochschulen zu treten.
Bleiben Sie auf dem Laufenden!
Sie möchten regelmäßig über neu erschienene Artikel informiert werden? Abonnieren Sie den DAAD-Newsletter Hochschul- und Forschungsmarketing.